Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Juwelendieben das Leben schwerzumachen, richtete sich auf, nachdem er dem Toten ins Gesicht gesehen hatte.
»Erschossen!« sagte er.
»Unheimlich klug!« Kapitän Selbach wischte sich den Schweiß von der Stirn. Hier unten gab es keine Klimaanlage wie in den Kabinen. Hier war es heiß wie in einem Treibhaus. Die dicht neben ihm liegenden Maschinenräume strahlten Wärme durch die Wände. »Vor Freude ist er nicht gestorben.«
Der Tote hatte noch seinen eleganten Smoking an. Der Ausdruck in seinem Gesicht schien Erstaunen zu sein. Als der Schuß ihn mitten zwischen die Augen traf, mußte er an alles andere, nur nicht an seinen Tod gedacht haben.
»Zunächst müssen wir feststellen, wer er ist«, sagte Harry Linder.
»Nicht nötig.« Kapitän Selbach atmete tief auf. »Er heißt Jerome Dubois und ist ein französischer Philosoph. Vor drei Stunden saßen wir noch zusammen und tranken Champagner.« Er blickte hinüber zu Dahl, der die Einschußöffnung untersuchte. Es hatte wenig geblutet, nur ein dünner Streifen Blut war über die Nasenwurzel zum Mund gelaufen. »Selbstmord, Doktor?«
»Ganz unmöglich. Wo ist dann die Waffe?«
»Also Mord?«
»Ja.«
»Das hat uns noch gefehlt. Wie, zum Teufel, ist Dubois überhaupt in die Laderäume gekommen? Was hat er hier zu suchen?«
Dr. Dahl richtete sich auf. Sein Gesicht war fahl. »Jeder Schuß hinterläßt einen Geruch von verbranntem Pulver. Vor allem hier, in diesem geschlossenen, nicht entlüfteten Raum. Riechen Sie etwas, meine Herren?«
»Nein«, sagte der I. Offizier und schnupperte.
Harry Linder steckte die Hände in die Taschen. »Daran habe ich auch schon gedacht. Er wurde woanders erschossen und erst dann hierhergetragen.«
»Dann muß ein Besatzungsmitglied der Täter sein.« Kapitän Selbach griff wieder nach seinem Taschentuch. »Auch das noch.«
»Warum ein Besatzungsmitglied?« Dr. Dahl lauschte nach oben. Mit dem Lastenaufzug kamen zwei Stewards und eine Trage herunter.
»Die Passagiere kennen nur ihre Wege zu den Gesellschaftsräumen. Dieser Teil des Schiffes ist ihnen völlig unbekannt.«
»Um einen Toten zu verstecken, sucht man gern Neuland. Das Rätselhafte ist: warum gerade Dubois? Er war ein stiller Philosoph. Er war der unauffälligste von allen Luxuspassagieren. Und ich nehme an, er war auch der ärmste im Vergleich zu Surtess, Sepkinow, Hergarten und wie sie alle heißen.« Dr. Dahl winkte den Stewards zu, die jetzt mit der Trage die Eisentreppe hinunterklapperten. Sie legten den toten Dubois auf die Zeltplane und deckten ihn mit zwei Tüchern zu. »Ich möchte mich jetzt nicht damit aufhalten, Herr Kapitän, nach den Gründen zu suchen, das wird Sache der New Yorker Polizei sein. Wir müssen uns nur eins vor Augen halten: An Bord der ›Ozeanic‹ ist ein Mörder!«
»Das ist ein Gedanke, der mir den Atem raubt«, sagte Kapitän Selbach ehrlich. »Und eben, weil es so sinnlos ist, daß Dubois erschossen wurde, ist der Mörder eine ständige Bedrohung für alle anderen Passagiere.«
»Der Tod muß auf alle Fälle verschwiegen werden, bis New York«, sagte der I. Offizier. »Die Panik, die ausbrechen kann, nicht auszudenken! Offiziell werden wir sagen, Herr Dubois habe sich beim Bordball übernommen und einen Herzanfall bekommen. Er brauche vollkommene Ruhe. Damit schalten wir auch die Besuche seiner neuen Freunde aus. Das müssen Sie übernehmen, Doktor.«
Dr. Dahl nickte. Der Tote wurde die Treppe hinaufgehoben und dann zum Lastenaufzug gebracht. Im Hospital warteten schon die beiden Krankenpfleger. Es war ein großes Glück, daß alle Passagiere noch schliefen nach dieser festlichen Nacht. Nur ein paar ältere Herrschaften saßen bereits in der Kapelle und hörten die Frühmesse an.
»Was können wir tun?« fragte Kapitän Selbach. »New York verständigen, die Reederei … und sonst nichts. Und die Augen offenhalten. Es ist ein schreckliches Gefühl, zu wissen, daß unter den fast zweitausend Menschen an Bord ein Mörder ist und man nichts dagegen tun kann. Werden Sie bei einer gründlichen Untersuchung des Toten noch etwas entdecken können, Doktor?«
Dr. Dahl hob die Schultern. »Ich will versuchen, die Kugel aus dem Kopf zu holen. Dann haben wir wenigstens das Kaliber. Aber was nutzt das? Können wir in die Taschen von zweitausend Menschen sehen? Ich wette, daß mehr Waffen an Bord sind, als wir ahnen. Und wenn wir jeden untersuchten, würden wir uns bestimmt wundern, wer alles mit einer Pistole herumläuft.«
»Das wäre
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