Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Steward ist, hat gelernt, blind, stumm und taub zu sein wie die drei heiligen Affen.
Wenig später kam mit dem Fahrstuhl eine Tanzkapelle zum Lido-Deck hinauf. Sie postierte sich neben dem Swimming-pool und begann, heiße Rhythmen über das Deck zu schmettern. Liegestühle wurden weggeschoben oder zusammengeklappt, ein Decksteward wischte die Nässe rund um den Pool auf. Ahnend, was nun kommen würde, verließen die älteren Passagiere das Lido-Deck und gingen hinauf zum Sonnendeck oder verzogen sich auf die ungedeckte Promenade, wo die Liegestühle unter den Rettungsbooten neu aufgeschlagen worden waren. Sam Hopkins, durch Alkohol und Lebenslust angeschwellt wie ein Ballon, wippte mit den Füßen und schlug den Takt gegen die Barwandung.
»So ist's richtig!« schrie er und umarmte Margret. Ihr junger Körper machte ihn vollends verrückt. »Das ist Musik, die in die Knochen fährt.«
Margret zog ihn von der Bar weg auf die improvisierte Tanzfläche. Was nun geschah, war eine Stunde lang der Ausbruch jugendlicher Lebensfreude und Ungehemmtheit. Halbnackte Körper zuckten und ruckten am Rande des Pools im Takt der hämmernden Musik. Über ein Mikrophon peitschte eine Sängerstimme den Rhythmus in die sich windenden Körper. Einige Paare fielen kreischend vom Rand des Pools ins Wasser und schlugen mit den Beinen und Armen den Takt in das aufspritzende Wasser. Haare wehten im Wind, Hüften und Arme und schwitzende, verzückte Gesichter bewegten sich wie in Trance, stießen gegeneinander und trennten sich. Sam Hopkins hielt zwei dieser Tänze aus, dann schwankte er zurück zur Bar, kletterte keuchend auf den Hocker und bestellte einen großen Whisky mit viel Soda.
Voll Neid sah er, wie Margret sich von den Italienern umschwärmen ließ, wie sie in ihre Arme glitt, ein zuckendes Bündel herrlich geformten Fleisches, das mit diesen Bewegungen der Hüften und Schenkel zum Verrücktwerden erotischer wirkte als alles, was Hopkins in den letzten zehn Jahren gesehen hatte.
Am Pool erschien nun auch Ulrich Renner, in einem weißen korrekten Anzug, wie man ihn sonst nur in den Tropen trägt. Margret begrüßte sein Erscheinen mit einem schrillen Schrei und fiel einem Italiener um den Hals. Er küßte sie stürmisch, hob sie mit seinen muskelglänzenden Armen hoch und warf sie in den Swimming-pool. Dann sprang er hinterher und setzte das Liebesspiel im Wasser fort, während die Kapelle erneut zu einem hämmernden Beat einsetzte.
Ulrich Renner starrte düster auf das Paar, das im Wasser sich küßte, tauchte und unter Wasser sich umarmte, auftauchte und eng umschlungen in der strahlenden Sonne trieb. Auch Sam Hopkins ahnte, daß seine Sektbestellung in Kabine 11 ein Fehlschlag sein würde und er den Alkohol allein trinken mußte. Noch gab er nicht auf, pumpte sich voll Luft und lief an den Rand des Pools, um Margret zuzuwinken.
»Komm herein!« rief sie ihm zu.
Hopkins zögerte, dann sprang er, so wie er war, in Hose und Hemd, ins Wasser. Klatschen und Johlen begleiteten ihn, als er auftauchte und prustend auf Margret und den Italiener zuschwamm. Und da erlebte Sam Hopkins die elendste Niederlage seines Lebens. Der Italiener löste sich von Margret, schwamm ihm entgegen, legte beide Hände auf Hopkins Kopf und drückte ihn unter Wasser.
Verzweifelt tauchte Sam weg, stieg empor, schnappte Luft, wollte brüllen, als der Italiener wieder neben ihm war und ihn wieder untertauchte. Die jungen Leute um den Pool jubelten und klatschten, die Musik hämmerte auf sie herunter, die Körper zuckten im Takt.
Hopkins tauchte noch einmal auf. Haßerfüllt sah er den jungen, lachenden Italiener an, sah dessen Zähne blitzen, den spöttischen Blick in den schwarzen, glänzenden Augen, und hob die Faust. »Du elendes Stinktier!« schrie Hopkins in bestem Farmerenglisch. »Du italienische Wanze …«
Es half ihm nichts, daß er um sich schlug, als gelte es, sein Leben zu verteidigen. Unter dem Johlen der anderen warf sich der schwarzgelockte Kavalier noch einmal über Sam und drückte ihn unhaltbar unter das Wasser.
Geschlagen, Wasser spuckend, mit versagendem Herzen kletterte Sam Hopkins mit Hilfe des Deckstewards die Leiter hinauf. Ein anderer Steward warf ihm ein großes Badetuch über. Trotz der Sonne wehte ein scharfer Wind über das Deck. Triefend schleppte sich Hopkins vom Pool weg zur Treppe. Niemand beachtete ihn mehr, aber die Musik, das Lachen der jungen Menschen, das Zucken der halbnackten Leiber wirkten auf ihn wie
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