Schwarzer Nerz auf zarter Haut
wirklich noch!«
Sie tanzten an einem Tisch vorbei, der direkt an der runden Tanzfläche stand. An ihm saßen, wie rot und gold bemalte Salzsäulen, die drei russischen Lakaien Sepkinows. Sie tranken Fruchtsäfte und sahen in die tanzende, fröhliche Menge wie Schaufensterpuppen. In ihren Gesichtern lag keinerlei Regung, nur die Augen lebten. Der eine von ihnen, ein tatarischer Typ mit schräg gestellten Augen und einer gelblichen Hautfarbe, wirkte wie aus Wachs. Selbst wenn er trank, war es, als schütte ein maschineller Arm die Flüssigkeit in den spaltbreit geöffneten Mund.
Sybilla ließ ihren Blick über diese seltsame Dreiergruppe gleiten, während Sepkinow sie zu einer Drehung brachte, die ihn begeisterte, weil sie gelang. »Sie haben furchterregende Diener, Graf«, sagte sie.
»Sie sehen nur so aus. Es sind gutmütige Burschen.« Sepkinow warf einen Blick auf seine livrierten Lakaien. »Für mich würden sie sich häuten lassen.«
»Der Asiate ist mir unheimlich.«
»Shura Aitmanow? Er ist ein Engel, ein harmloser, lieber Kerl, der die Fliegen von den Fliegenfängern löst und sie wieder freiläßt, weil sein Herz jegliche Gewalt haßt.«
»So kann man sich durch das Äußere täuschen lassen.«
»Vergessen Sie die Burschen, wenn sie Ihnen einen Schreck einjagen. Am besten, ich jage sie weg.« Graf Sepkinow hob beim Tanzen die rechte Hand und machte eine ruckartige Bewegung. Die drei stummen livrierten Lakaien erhoben sich wie auf ein Kommando und gingen hintereinander, wie aufgezogene Puppen, aus dem Saal. »Weg sind sie!« lachte Sepkinow. »Zufrieden, Märchenkönigin?«
»Sie regieren noch immer wie in Petersburg, nicht wahr?«
Der Walzer war zu Ende. Sie standen in der Menge der anderen Paare auf der Tanzfläche und klatschten. Graf Sepkinow schloß halb die Lider. Plötzlich war er ein müder, alter, vom Tanz ausgepumpter Mann. Eine Karikatur mit seinem blütendurchflochtenen Bart.
»Sprechen wir nicht von Rußland«, sagte er leise. »Wenn ich an Sie eine große Bitte habe, Prinzessin der Schönheit: Fragen Sie mich nicht nach meiner Heimat. Sonst können Sie mit mir altem Narren alles tun!«
Der nächste Tanz war ein schneller Fox. Sepkinow hob die Arme. »Ich passe. Das Hüpfen muß man den Fohlen überlassen. Ein alter Ackergaul kann nur noch stampfen. Gehen wir zur Bar? Ein Glas Sekt?«
Sybilla sah sich um. Wo war Hergarten? Warum kam er nicht wieder? Wohin war er mit Sir Surtess und Hopkins gegangen? Ein Gefühl von Angst kroch in ihr hoch. Sie drückte die goldene Abendtasche an sich. Unter ihren Händen spürte sie die harte, längliche Form der Automatik.
»Ich warte an der Bar, Königin der Nacht.« Graf Sepkinow küßte ihr die Hand und ging dann aufrecht durch die Tanzenden davon. Sybilla zögerte keinen Augenblick mehr. Sie lief durch die gleiche Tür, die Hergarten genommen hatte, und fragte im Vorraum einen der Stewards, ob er Dr. Hergarten gesehen habe.
»Ich habe gehört, Madame, die Herren wollten in den Rauchsalon«, sagte der Steward. Das stimmt, denn Sir Surtess hatte als Alibi laut diese Richtung angegeben.
Aber im Rauchsalon saß Hergarten nicht. Der Raum war fast leer. Nur ein paar Engländer saßen herum, rauchten Pfeife und spielten Bridge. Sybilla lief zurück. Sie sah in den großen Hamburg-Salon hinein und bemerkte Sir Surtess in einer verschwiegenen Ecke. Er war mit einem zauberhaften Mädchen beschäftigt und tätschelte ihm dauernd die Hand, die Wange oder die Schultern. Auch Hopkins war da; mit schwitzendem, verzücktem Gesicht tanzte er einen Ballaballa. Aber von Hergarten keine Spur.
Sybilla überkam eine Art Panik. Sie lief zum nächsten Telefon und ließ zur Kabine 12 klingeln.
Keine Antwort.
Mit zusammengekniffenen Lippen lehnte sich Sybilla an die getäfelte Wand und starrte auf die Paare, die durch die großen Pendeltüren ein und aus gingen. Die Musik war in ihren Ohren wie ein Kreischen, wie ein Heulen, wie ein Aufschrei.
Mein Gott, dachte sie. Mein Gott, wenn ihm etwas geschehen ist!
Sie lief zurück zum Alster-Club, blickte in den Saal und verließ ihn dann wieder über die gedeckte Promenade. Verzweifelt stieß sie die Tür zum Riviera-Deck auf und atmete tief die kalte Nachtluft ein. Sie zog den Nerz enger um ihre Schultern und stellte sich an die Reling, blickte über das Meer und versuchte, Ordnung in ihre wild durcheinanderwirbelnden Gedanken zu bekommen.
Wo kann er sein? Was könnte man mit ihm gemacht haben? War er der nächste, den
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