Schwarzer Purpur
gesehen haben, wenn sie dich anschaute.«
Ganz zuunterst lag ein zusammengefaltetes Papier. Es schien die Kopie einer Geburtsurkunde zu sein. Ausgestellt in Agrigento, am 23. Oktober 1943, wurde die Geburt von Giuseppe Tomaso Renaldo Corvaio bestätigt. Blitzschnell rechnete ich nach. Mein Vater müsste demnach jetzt 59 sein, sieben Jahre älter als Mutter. Ob er noch lebte?
Wie in Trance sah ich immer wieder die Bilder an, konnte mich gar nicht davon lösen.
Kapitel 2:
Eine unerwartete Erbschaft
Zur Testamentseröffnung des letzten Willens von Frau Margarethe Naumann waren wir um 11.00 Uhr in die Kanzlei gebeten worden. Der Notar Dr. Weydrich schüttelte uns mit professionellem Mitgefühl die Hand und bat uns in sein Allerheiligstes. Der düstere Raum, spärlich möbliert mit Stilmöbeln aus Mahagoni, ließ mich frösteln. Unwillkürlich suchte ich Tante Hildes beruhigende Nähe.
»Darf ich den Damen einen Tee anbieten? Oder lieber Kaffee?«
Wir sahen uns an. »Wir möchten es nur so schnell wie möglich hinter uns bringen«, sagte Tante Hilde schließlich.
»Gut, dann will ich beginnen.« Dr. Weydrich räusperte sich. Es klang trocken wie raschelnde Blätter. Die Feststellung der Anwesenden, die Daten, all das leierte er mit routiniert monotoner Stimme herunter, griff dann nach einem großen braunen Umschlag, zeigte uns das intakte Siegel und öffnete ihn.
Mutters Nachlass bestand aus einem Brief an mich, mehreren dünnen Aktenordnern und dem eigentlichen Testament, das sie vor etwa zwei Jahren mit dem Notar aufgesetzt hatte.
Ich war immer davon ausgegangen, Mutters Alleinerbin zu sein. Überrascht, aber nicht unerfreut hörte ich nun auch Tante Hildes Namen. Ihr war ein Aktienpaket zugedacht.
Mutter hatte Aktien besessen?
Dr. Weydrich räusperte sich erneut, eine Angewohnheit, die mich nervös machte, und sagte fast entschuldigend: »Ich sollte Ihnen wohl besser den Nachlass erläutern.«
War ich schon vom bloßen Umstand des Aktienbesitzes überrascht gewesen, so war ich noch überraschter, in dürren Worten und klaren Summen den ganzen Umfang von Mutters Vermögen zu erfahren. Nicht nur das Haus war schuldenfrei – ich hatte auch über eine Viertelmillion in Aktien und Anlagen geerbt!
»Wenn Sie das alles sofort flüssig machen möchten, ist natürlich mit starken Einbußen zu rechnen. Ihre Frau Mutter war geradezu genial!« Die Bewunderung in seiner Stimme grenzte an Ehrfurcht.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Natürlich hatte ich mich manchmal gefragt, was Mutter eigentlich den ganzen Tag tat. Jetzt wurde mir so manches klar. Auch ihre Marotte, um Rechnungen und Geschäftspost ein Geheimnis zu machen. »Das ist sicher ein Schock für Sie. Ihre Mutter hat mir gesagt, dass sie ihre Finanzgeschäfte vor Ihnen … verheimlicht hat«, fügte er verständnisvoll hinzu. »Vielleicht möchten Sie jetzt doch eine Tasse Tee, und ich lasse Sie beide kurz allein, damit Sie die Briefe lesen können?«
Halb betäubt stimmten wir seinen Vorschlägen zu.
Liebe Tochter,
stand auf dem schweren schmucklosen Büttenpapier, das ich ihr einmal geschenkt und das sie immer für besondere Gelegenheiten aufgehoben hatte.
die Umstände zwingen mich dazu, Vorkehrungen zu treffen, die ich lieber aufgeschoben hätte. Wenn du dies liest, bin ich tot, und da man in diesem Zustand nicht mehr reagieren kann, habe ich mich entschlossen, dir Dinge mitzuteilen, die ich für wichtig halte.
Solange ich da war, fand ich es unnötig, aber ich möchte dich nicht ganz allein lassen und habe deshalb verfügt, meine Kusine Hilde von meinem Tod zu benachrichtigen. Sie ist nicht übermäßig intelligent, aber ehrlich und freundlich. Sie wird dich mit Sicherheit über alle familiären Zusammenhänge aufklären, deshalb spare ich mir das.
Soweit ich informiert bin, ist sie verwitwet und nicht mit Reichtümern gesegnet. Ich habe ihr ein ausreichendes Einkommen hinterlassen, also fühle dich nicht verpflichtet, sie darüber hinaus zu unterstützen.
Was deinen Vater betrifft, habe ich Dr. Weydrich keine Anweisungen hinterlassen. Du wirst Bilder und eine Kopie seiner Geburtsurkunde in meiner untersten Wäscheschublade finden. Wenn du das Bedürfnis verspüren solltest, ihn ausfindig zu machen, kannst du Dr. Weydrich damit beauftragen.
Das Vermögen, das ich dir hinterlasse, ist dazu gedacht, dir ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Ich kann nur hoffen, dass du es nicht verschleuderst. Leider scheinst du nicht meinen Geschäftssinn
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