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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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Weydrichs Hilfe alles Notwendige entschieden und geregelt hatte, war mein Respekt vor Mutters Leistungen ins Immense gewachsen. Dass diese Frau mit der Ausstrahlung einer »Tochter aus gutem Hause« ein solches Finanzgenie gewesen sein sollte, erschien mir immer noch schwer vorstellbar.
    Von klein auf dazu erzogen, automatisch Mutters Anweisungen auszuführen, wäre ich nie auf die Idee gekommen, eine davon zu hinterfragen. Es war einfacher gewesen, mir meine Fluchtburg einzurichten und dort alles Alltägliche auszublenden.
    Wieso hatte sie mich bloß so abgeschirmt, auch als sie wusste, dass ich bald auf mich allein gestellt sein würde? Nein, berichtigte ich mich sofort, sie hatte auch hier wieder alles für mich geregelt: Dr. Weydrich nahm mir alles ab, was lästig war, und führte ihre fürsorgliche Bevormundung fort.
    Monikas ungläubiges Staunen über meine Hilflosigkeit machte mir erst bewusst, wie unnormal ich mich für eine berufstätige junge Frau von immerhin 28 Jahren verhielt. In den Augen anderer Menschen musste ich geradezu unbeholfen wirken. Theoretisch war mir die Existenz von Versicherungen und Steuererklärungen natürlich bekannt – sie hatten aber etwa den Stellenwert für mich wie die Werbung für Hundefutter.
    In einer Art inneren Aufbäumens beauftragte ich Dr. Weydrich, meinen Vater ausfindig zu machen. »Mutter hat es mir ausdrücklich freigestellt«, fügte ich leicht trotzig hinzu und verdarb damit die Wirkung meiner sorgfältig vorformulierten Sätze. Monika verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
    Sie saß auf meiner Schreibtischkante in dem kleinen Büro hinter dem Verkaufsraum und zerzupfte ungeduldig einen Weymouth-Kiefernwedel.
    »Selbstverständlich werden wir für Sie die entsprechenden Nachforschungen anstellen, Frau Naumann«, versicherte Dr. Weydrich mir so ungerührt, als hätte ich ihn gebeten, einen im Bus vergessenen Regenschirm aufzuspüren. »Ich muss Sie allerdings darauf vorbereiten, dass so etwas nicht einfach ist. Haben Sie irgendeinen Hinweis, an dem wir ansetzen könnten?«
    Ich versprach, ihm eine Kopie der Geburtsurkunde aus Agrigent zu schicken, die Mutter mir in dem Brief hinterlassen hatte, und legte eilig auf.
    »Es freut mich, dass du endlich aus deinem Dornröschenschlaf aufwachst«, meinte Monika und ließ die Brösel fallen. »Aber was versprichst du dir davon, nach deinem Vater zu suchen? Er hatte schließlich fast dreißig Jahre Zeit – das spricht nicht gerade für brennendes Interesse.«
    Sie sprach laut aus, was ich auch schon gedacht hatte. Wieso hatte er nicht nach mir gesucht?
    Eigentlich hatte ich Dr. Weydrich auch nach dem Stand des Hausverkaufs fragen wollen, aber das konnte ich später nachholen. Weswegen hatte Monika das Kiefernbüschel malträtiert? »Ist irgendetwas?«
    »Ach so, – ja … ich wollte dich fragen, ob es dir etwas ausmachen würde, Samstag allein mit Alfons den Laden zu schmeißen. Stevie wollte mit mir zum Skilaufen …« Der Hauch von Rot auf ihren Wangen alarmierte mich. Stevie hieß eigentlich Steffen und war bisher nur als ihr Trainingspartner beim Taekwondo erwähnt worden.
    »Er hat dich eingeladen?« Spontan sprang ich auf und umarmte sie kräftig: »Ach, Mike, das freut mich für dich! Natürlich kommen wir zurecht, mach dir keine Sorgen.«
    »Nicht so hastig«, wiegelte sie ab. »Wir gehen nur zusammen Skilaufen.«
    »Wer geht Skilaufen?« Alfons streckte seinen silbergrauen Schopf durch den Türspalt und grinste uns fröhlich an. »Und was soll diese übertriebene Begeisterung?«
    Wir lösten uns, und Monika erklärte: »Ich – mit Stevie. Deshalb habe ich Reni gefragt, ob sie es mit dir allein schafft. Immerhin ist es ein Adventswochenende.«
    Alfons wirkte geradezu beleidigt. »Du traust uns wohl überhaupt nichts zu«, meinte er. »Von mir mal abgesehen – Verena könnte das inzwischen sogar alleine. Und mit den ganzen lateinischen Namen ist sie eindeutig besser als du!«
    Das stimmte. Monika war eher eine Praktikerin; sie hatte ein fantastisches Gefühl für die Bedürfnisse der Pflanzen, und sie konnte zauberhafte Gestecke und Sträuße binden, aber die Nomenklatur war nicht ihre Sache. Ihre Angstkunden waren die, die Zettel mit genauen Wünschen wie Brunnera macrophyllum oder Campanula glomerata zückten, auch wenn sich dahinter nichts anderes verbarg als das Kaukasus-Vergissmeinnicht und Knäuelglockenblumen.
    Kam sie mit den gebräuchlicheren Freilandstauden gerade noch zurecht, so stand sie mit

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