Schwarzer Rauch
nirgends die Mondskulptur entdecken. Auch in Darians Gedanken blitzte sie auf.
Als etwas in meinem Augenwinkel flimmerte, drehte ich mich neugierig um. Und da war sie. Schöner und pompöser noch als unsere zuhause, aber ebenso mit dem konzentrisch angelegten Kieswegen darum. Wieso hatten wir sie vorher nicht gesehen? Waren wir von dem Pavillon derart abgelenkt gewesen?
Ein junger Mann riss mich aus meinen Gedanken, als er die drei Stufen zu uns emporstieg. Er trug ein weißes Halstuch, also musste er zu der London-Delegation gehören.
»Ihr habt die Skulptur erscheinen lassen. Unglaublich. Meist zeigt sie sich erst, wenn viel mehr Mitglieder zusammentreffen und sich die Gegenwart des Herren wünschen. Aber dass ihr etwas Besonderes seid, dachte ich mir ja schon bei unserem letzten Treffen.« Tom schenkte uns ein strahlendes Lächeln.
»Du hier? Mit weißem Halstuch?« Ich musste mich zurückhalten, um ihm nicht um den Hals zu fallen. Ich war richtig froh darüber, ihn hier zu treffen. Vielleicht könnten wir unser Gespräch fortsetzen, vielleicht konnte er uns noch mehr über das Umbrae Lunae erzählen. Was hatte man uns noch alles verschwiegen?
»Wieso hast du uns nicht schon vorher gesagt, dass wir dich hier wieder treffen würden?«, fragte Darian misstrauisch, womit er durchaus Recht hatte. Warum hatte Tom uns das bislang verschwiegen?
»Ursprünglich war ich für einen Flug eingeteilt, hätte also während der nächsten Tage nicht hier sein sollen. Aber glückliche Umstände haben dazu geführt, dass der wichtige Passagier anderweitig beschäftigt war.« Er zwinkerte uns zu. »Somit gehöre ich offiziell zu dem Frage-Antwort-Team hier im Hause.« Er zupfte sein weißes Halstuch zurecht. »Haben Sie irgendwelche Fragen?«, er beugte den Kopf zur Begrüßung.
»Was hast du da eben über die Skulptur erzählt? Sie erscheint nicht jedem?«, kam Darian Toms Angebot sofort nach.
»In der Tat. Dieser Garten ist von uralter Magie geprägt. Ihr habt sicher bemerkt, dass ihr nach dem Betreten des Gartens nicht ohne weiteres wieder hättet zurückfinden können.« Wir nickten zustimmend. »Der Ausgang wird erst nach Aktivierung der Mondsteine wieder sichtbar.«
Das hatte der Mann mit dem Halstuch also angedeutet. Aber wo waren sie denn?
»Die Mondsteine befinden sich entlang der Wege. Schaut euch die kleinen Laternen mal genauer an.« Er deutete auf die kleinen kugelartigen Lampen, die den Weg alle paar Meter säumten.
»Das sind keine herkömmliche Lampen, sondern Steine. Da es sich um Mondgestein handelt, leuchten sie bei Nacht, als wären sie von innen beleuchtet. Um nun aber den Ausgang zu finden, müsst ihr die Formel sprechen. Hat man euch das nicht gesagt?«
»Das hat der Mann, der uns den Weg zum Garten gezeigt hat, wohl irgendwie vergessen zu erwähnen.« Darian hatte seine typische Denkerfalte zwischen den Augenbrauen.
»Eigentlich ist er angewiesen, euch gar nicht erst herzuschicken. Hier im Niemandsland kann es unter Umständen sehr gefährlich sein.« Tom machte eine kurze Pause und überlegte. »Nicht nur, weil man sich leicht verlaufen kann.«
»Welchen Grund gibt es denn noch?« In Darians Stimme schwang eine Prise Zorn mit. »Was wird uns denn sonst noch alles verheimlicht?«
»Das zweite Halbjahr hat noch nicht begonnen, geschweige denn die ganze Fachausbildung, die ihr erst nach eurem Ruf beginnen werdet. Das Umbrae Lunae hat euch bereits sehr viel über die dunkle Magie erzählt. Nicht nur die Vampire sind unter uns. Viele der Sagen und Geschichten der Menschen haben einen wahren Kern. Den Unsrigen war es nicht immer möglich, alle Erinnerungen auszulöschen.
Nehmen wir beispielsweise Atlantis. Es geistert immer noch durch unzählige Geschichten und noch immer sind Forscher und Gelehrte auf der Suche danach. Wir wissen nicht, wer dieses Wissen weitergetragen hat.
Die Menschen, die damals die Siedlung Atlantis bewohnten, wurden mit der Zerstörung ihrer Stadt allesamt ausgelöscht. Atlantis war ein fehlgeschlagenes Experiment, der Feldversuch einer Studie, alle Menschen mit Reichtum und Wohlstand auszustatten, um Neid, Missgunst und daraus resultierende Kämpfe und Kriege aus der Welt zu schaffen. Aber wie ihr euch sicher denken könnt, war der Versuch misslungen. Menschen können nicht ohne Besitztümer auskommen. Sie wollen Neider, wollen mehr haben als der Nachbar. So fingen sie an, sich gegenseitig die unzähligen Schätze zu stehlen, bildeten verfeindete Gruppen und bekriegten sich
Weitere Kostenlose Bücher