Schwarzer Rauch
kannte die Aufgaben des Rates und auch die Geschichte der dunklen Magie.
Dieses Wissen war von meiner Kindheit an ein treuer Begleiter. Schon mit zehn Jahren durfte ich an den Zirkeltreffen meines Vaters teilnehmen. Er war der Hexenmeister, der Mann mit den größten Fähigkeiten im Kreis. Dort wurde mir auch beigebracht, Teile meiner Gedanken abzuteilen und für sämtliche Leser unerreichbar wegzusperren. Schließlich durfte niemand von einem Kind erfahren, dass sein Vater ein Hexenmeister war.
Mit dieser ganzen Vorgeschichte war ich anfangs bei den Treffen in der Mondstätte mehr als gelangweilt. Doch nach ein, zwei Wochen änderte sich alles: Eine Neue kam zu uns. Sie hieß Victoria. Sie war einfach das, was ich mir unter einer perfekten Frau vorstellte. Nach unserer Wiedergeburt versuchte ich einige Male, sie anzusprechen, aber sie schien kein Interesse an mir zu haben.
Mike, mein Freund von Kindesbeinen an und nun Mitschüler, fand sie streberhaft. Er stand mehr auf Sina, Victorias beste Freundin. Leider schien deren Interesse auch nicht gerade sonderlich groß zu sein.
Um Victoria auf mich aufmerksam zu machen, musste ich erst diese Sina beschäftigen. Somit bat ich meine Mutter um einen Gefühlszauber für Sina und Mike. Dieser Zauber ging als Amors oder Eros‘ »Liebespfeil« in die Mythen der Menschen ein. Damit war die Sache ganz schnell erledigt. Mike war zufrieden, Sinas Leben ausgefüllt und Victoria saß alleine da.
Als ich an einem Abend zufällig mitbekam, dass es wegen der Gedankenleserei zu Streit gekommen war, säte ich über einen kleinen, einfachen Zauber Neid. Victoria las den Neid sofort in Sinas Gedanken und schon bestand das ehemalige Zweiergespann aus Einrädern.
Ich bat Mike, mich kurz anzukündigen und konzentrierte mich dann voll und ganz auf meine »Gefühle«. Victoria war schließlich Leserin und für einen Neuling wirklich gut darin. Also packte ich mein wahres Ich in die Kammer und sperrte sie ab. Meine Zuneigung zu ihr ließ ich in Gedanken etwas größer erscheinen. Ich war nicht perfekt in dieser Art Gedankenkontrolle, aber für jemanden, der dieses Talent noch nicht perfektioniert hatte, war es ausreichend.
Mein Plan funktionierte. Victoria schmolz beinahe dahin, als sie das weiße Band in meinem Kopf erkannte. Von dem heutigen Training mit der Hauseule hatte ich noch das Übungsband in der Tasche. Da uns erst in der letzten Geschichtsstunde von Zeus und Hera erzählt worden war, konnte ich mich nicht zurückhalten. Frauen liebten diese Sorte von Kitsch und Klischee. So übergab ich Victoria das weiße Trainingsband und erzählte ihr noch eine kleine Geschichte über mich. Überzeugend.
Ich war nur ein schwacher Leser, etwas weniger noch als bereits gerufene Mondkinder, aber das weiße Funkeln in ihrem Kopf konnte selbst ich nicht übersehen.
So führte eins zum anderen. Die Wochen vergingen und wir lernten uns immer besser kennen. Victorias telepathische Fähigkeiten wurden immer besser. Für mich wurde es somit immer schwieriger, mein wahres Ich zu verbergen. Mittlerweile hatte ich sie sogar ganz gern. Ich war kurz davor, mich ihr zu offenbaren und sie meinen Eltern vorzustellen. Davor galt es jedoch herausfinden, ob sie den Unsrigen wohlgesonnen war. Schließlich hatte sie noch keinen Kontakt zur dunklen Seite.
Aus diesem Grund erzählte ich ihr die Geschichte des Tribunals von Stonehenge. Sie wurde aber nicht wie erhofft neugierig auf das Unbekannte, sondern fuchsteufelswild. Den ganzen Aufruhr verstand ich nicht. Hexen waren toll, die Zirkeltreffen voller Macht und Magie. Hätte ich sie mitnehmen können, wäre sie überzeugt gewesen. Oder nicht?
Dann geschah aber etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte und was meinen Vater zum stolzesten Vater der Welt hätte machen können. Ich wusste nicht, wie, aber Victoria hatte das Buch der Bücher gefunden. Das Umbrae Lunae, oder Grimoire Lunaris .
Es enthielt die mächtigsten Zauber der Welt, war die Bibel der Hexen. Mein Vater hätte wahrscheinlich selbst mich geopfert, um das Buch zu besitzen. Nein, nicht nur wahrscheinlich. Er hätte es definitiv und wäre somit nicht nur Meister unseres Zirkels, sondern zum Hexenmeister der gesamten Welt geworden. All das war zum Greifen nah.
Ich spürte die dunkle Magie, die vom Buch aus auf mich überging, als ich darin las. Wer mit dieser Energie nicht vertraut war, hätte sie niemals spüren können. Kinder wie ich wurden natürlich von klein auf in dunkler Magie
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