Schwarzer Regen
…«
»Schon gut. Warten Sie, ich muss nur schnell die Kombination holen. Ich habe sie mir aufgeschrieben.« Benz zog einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und fummelte am Schloss der mittleren Schreibtischschublade herum.
»Vergessen Sie’s. Ich habe die Patronen aus Ihrer Pistole entfernt. Sieben … Acht …«
Endlich schien Benz den Ernst der Lage zu begreifen. »Okay, okay, ich mache es.« Er ging zum Tresor.
|380| »Neun …«
Benz tippte eine Ziffernfolge ein. Es piepte, und die Leuchtanzeige wurde grün. Die Tresortür sprang mit einem leisen Klicken auf.
»Legen Sie sich flach auf den Bauch. Arme und Beine ausgestreckt!«
»Hören Sie, vielleicht können wir ins Geschäft kommen! Was immer Ihr Auftraggeber …«
»Halten Sie den Mund und legen Sie sich hin!« Die Schmerzen in seiner Seite erstickten Lennards Stimme beinahe. Benz schien zu bemerken, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung war. Zögernd kniete er sich hin, dann legte er sich flach auf den Boden.
»Wenn Sie sich rühren, töte ich Sie!«, sagte Lennard. Er ging zum Tresor, holte den Inhalt heraus und breitete ihn auf dem Schreibtisch aus. Reisepässe von Benz und seiner Frau, verschiedene Vertragsdokumente, ein Kästchen mit Schmuck.
»Wo ist die Liste?«
»Welche Liste?«
»Die Liste mit Decknamen und Telefonnummern. Ihrer ist ›Salomon‹.«
»Was? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden!«
Die Schmerzen in Lennards Seite mischten sich mit der heißen Wut in seinem Bauch. Es reichte jetzt. Er hatte keine Lust mehr, herumgestoßen zu werden. Jeden Moment konnte Pawlow oder ein anderer von Benz’ Leuten hier auftauchen. Wahrscheinlich spielte der Milliardär nur auf Zeit.
»Hören Sie zu, Sie Arschloch. Ich weiß von der Verschwörung. Mein Sohn ist in Karlsruhe umgekommen. Ich will die Telefonnummern der anderen Beteiligten!«
Benz richtete sich auf. Mit erhobenen Händen kam er langsam auf Lennard zu. »Hören Sie, ich habe wirklich keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Ich weiß von keiner |381| Verschwörung!« Seine Stimme war sanft, beruhigend. »Es tut mir leid, dass Ihr Sohn in Karlsruhe umgekommen ist, aber dafür kann ich nichts! Viele meiner besten Mitarbeiter sind dort ebenfalls gestorben – einige waren meine Freunde. Ich weiß nicht, was Sie glauben, das ich getan habe, aber es ist falsch! Die Katastrophe hat uns alle ein bisschen aus der Bahn geworfen. Ich verstehe das. Hören Sie, nehmen Sie die Waffe runter und gehen Sie einfach nach Hause. Dann vergessen wir, was heute hier geschehen ist. Okay?«
Lennard hielt die Pistole mit beiden Händen fest. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass der Lauf zitterte. »Bleiben Sie stehen!«
Benz gehorchte. Er war nur noch anderthalb Meter entfernt. Wenn er jetzt angriff, blieb Lennard nur eine Zehntelsekunde. Er versteifte sich, was die Schmerzen noch verschlimmerte. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
»Wenn Sie mich jetzt erschießen, wird Ihr Sohn auch nicht wieder lebendig«, sagte Benz. »Bitte, nehmen Sie die Waffe herunter!« Er versuchte, beruhigend zu lächeln.
Lennard bewunderte beinahe die Abgebrühtheit des Milliardärs. Er war ein guter Schauspieler. Doch dass er jetzt Mitgefühl heuchelte, verstärkte nur Lennards Zorn.
Schieß endlich, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Das Schwein hat es verdient!
Lennards Blick fiel auf den Gegenstand, der ihm vorhin aus der Tasche gefallen war und neben der Tür auf dem Boden lag: Fabiennes Tarotkarte. Die Liebenden.
Er dachte an die Verzweiflung in ihren Augen. »Pass auf dich auf«, hatte sie gesagt. Es hatte wie die Aufforderung geklungen, vorsichtig zu sein. Doch auf einmal schienen ihm ihre Worte etwas ganz anderes zu bedeuten. Vielleicht hatte Fabienne gemeint, er solle auf seine Gefühle aufpassen – darauf achten, nicht wieder die Kontrolle zu verlieren. So wie damals.
|382| Der Kinderschänder hatte ihn angegrinst, ganz ähnlich, wie Benz ihn jetzt angrinste. Das Mädchen hatte auf dem Bett gelegen, ihr Gesicht angstverzerrt. Lennard hatte den Mann in fast einem Jahr geduldiger Arbeit gejagt, eingekreist und schließlich gestellt. Vier Mädchen hatte der Mistkerl umgebracht, drei weitere wie Tiere in Käfigen gefangengehalten. Er hatte es nicht anders verdient. Alle hatten das gesagt – seine Kollegen, die Eltern der Opfer, selbst die Zeitungen hatten es geschrieben. Lennard war für ein paar Tage ein Held gewesen. Doch auf den kurzen Ruhm war ein langes, zermürbendes Gerichtsverfahren gefolgt, das ihm
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