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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Licht bei den Freien Demokraten und darauf angewiesen, die richtigen Verbindungen zu knüpfen, wollte er jemals politisch etwas erreichen. Der Abend heute bot dafür eine einzigartige Gelegenheit, die er einfach nicht sausen lassen konnte. Martina würde sich schon wieder beruhigen, wenn der Bengel frei kam und sich die Sache einrenkte.
    Obwohl die Anschnallzeichen noch leuchteten, holte Walter kurz nach dem Start den Laptop aus seinem Aktenkoffer und klappte ihn auf. Das Gerät startete aus dem Standby.
    Diese alberne Vorschrift, dass elektrische Geräte bei Start und Landung ausgeschaltet sein mussten! Jeder wusste doch, dass die Instrumente im Cockpit seit vielen Jahren gegen die Störeinflüsse elektrischer Geräte abgeschirmt waren. Trotzdem beharrte das Kabinenpersonal stur auf der Einhaltung dieser Regel. Deutschland war von einem Dschungel unnützer Gesetze, Vorschriften und Richtlinien überwuchert, durch den man kaum noch dringen konnte. Walters Partei war angetreten, diesen Dschungel zu lichten, aber es war ein fast aussichtsloses Vorhaben.
    Die Sonne schien direkt auf den Bildschirm. Er warf einen kurzen Blick auf die Stadt, die jetzt fast unter ihm lag, dann zog er die Fensterblende herab und überflog den letzten Absatz des Briefs an Dr. Keller. Er begann zu tippen: »Staatsanwalt Reichelt führte dagegen aus, nicht in die Revision gehen zu wollen, sofern unser Mandant bereit sei …«

|106| 19.
    Das Forschungszentrum Karlsruhe lag etwa zehn Kilometer nördlich des Stadtzentrums mitten in einem ausgedehnten Stadtwald. Es handelte sich um einen weitläufigen Campus mit Bürogebäuden, fensterlosen Hallen und technischen Anlagen. Im Eingangsbereich ragte ein riesiger Turm in den Himmel, nicht mehr als ein dünnes Metallgerüst, das von Stahlseilen aufrecht gehalten wurde. Er musste weit über hundert Meter hoch sein.
    Am Eingang war Faller von einer jungen, pickeligen Frau in Jeans und Sweatshirt empfangen worden, die sich als Assistentin des Pressesprechers vorstellte. Sie waren zu Fuß über das Gelände spaziert. Es sah aus wie der Campus einer stinknormalen Uni, und tatsächlich gab es hier auch eine Lehranstalt, das Karlsruher Institut für Technologie. Studenten und Wissenschaftler schlurften umher und vermittelten den staubig-behäbigen Eindruck einer Forschungseinrichtung, die sich verzweifelt bemühte, nicht nur so ähnlich zu heißen wie das MIT in Boston.
    Der Pressesprecher entsprach allerdings zumindest äußerlich in keiner Hinsicht dem Klischee eines Wissenschaftlers. Er war sehr groß und korpulent. Mit seinem kurzen Haar, seinem quietschgrünen Jackett und dem grau-orange gemusterten Schlips wirkte er eher wie ein farbenblinder Versicherungsvertreter. Er hatte Faller mit einem unangenehm weichen, schweißigen Händedruck, einer dröhnenden Bassstimme und einem absolut grauenhaften badischen Akzent begrüßt.
    Während er mit ihr über das Gelände schritt – Faller hatte den Eindruck, dass sie sich wieder dem Eingangsbereich |107| näherten –, hatte er sie mit sterbenslangweiligen Informationen über das Forschungszentrum überschüttet, das früher einmal Kernforschungszentrum geheißen hatte. Hier sei Deutschlands erster Kernreaktor gebaut worden, die erste Internetverbindung auf deutschem Boden entstanden und die erste E-Mail in deutscher Sprache geschrieben worden. Heute beschäftige man sich immer noch mit nuklearer Sicherheitstechnik, primär jedoch mit der Struktur der Materie, Umwelttechnik und Nanotechnologie, weshalb der Name des Zentrums schon vor Jahren geändert worden sei. Bla, bla, bla. Faller hatte schon bald nicht mehr zugehört – das Diktiergerät lief ja. Notfalls konnte sie später irgendeinen Volontär damit beauftragen, das Geschwafel zusammenzufassen. Aber das war sicher unnötig, denn ein Bericht über diesen öden Ort hatte in der
Rasant
absolut nichts verloren.
    Jetzt standen sie im Besucherzentrum, das direkt neben dem Eingang lag. Voller Stolz hatte der Dicke erklärt, dass hier die umfangreichste wissenschaftliche Sammlung zur Kernenergie auf deutschem Boden der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Die Ausstellungsräume strahlten den Charme eines Großraumbüros der Verwaltungsberufsgenossenschaft aus. Große Fenster gaben den Blick auf langweilige Gebäude und einen ausgedehnten Wald dahinter frei. An Dutzenden von Stellwänden hingen Fotos und Zeichnungen irgendwelcher technischer Anlagen, neben denen langatmige Erklärungstexte abgedruckt waren. Hin

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