Schwarzer Regen
Gott!«
Das Flugzeug wird von einem harten Schlag getroffen und kippt zur Seite. Ein hässliches metallisches Knirschen mischt sich mit den Schreien der Passagiere.
Jochen Walters letzter Gedanke ist, dass er wahrscheinlich zu spät zur Rede des Parteivorsitzenden kommen wird.
|122| 23.
»Was ist? Was hast du?«, fragt Achim.
Doch Georg Rohlfs beachtet ihn nicht. Ein greller Blitz hat ihn herumfahren lassen. Jetzt starrt er auf die Ebene, auf die Stadt. »Wow!«, sagt er.
Er kann nicht so recht einordnen, was er da sieht. Auf den ersten Blick wirkt es wie unglaubliche Special Effects: ein greller, in bunten Farben glitzernder Ball, der sich über der Stadt erhebt. Vielleicht ein Stadtfest, von dem ihm sein Agent wieder mal nichts erzählt hat? Er muss die Augen abwenden, obwohl er eine Sonnenbrille trägt.
»Ey, das sieht ja cool aus!«, sagt Achim.
Doch Rohlfs findet es plötzlich nicht mehr cool. Er bekommt Angst. Das Wasser im Swimmingpool, das eben noch vollkommen glatt war, schlägt plötzlich Wellen. Die Liege unter ihm bebt wie die Massagebank, die er Achim zu Weihnachten geschenkt hat. Das leere Limonadenglas auf dem Beistelltisch fällt herunter und zerschellt auf den Gartenplatten.
»Was zum Kuckuck ist …«, sagt Achim. Der Rest wird von einem langgezogenen, ohrenbetäubenden Donnern übertönt. Gleichzeitig trifft Rohlfs ein Schwall heißer Luft wie ein Keulenschlag. Er liegt plötzlich auf dem Rücken. Die Liege ist ein paar Meter durch die Luft gewirbelt worden.
Er setzt sich auf und sieht sich um. Die großen Panoramafenster der Villa sind aus ihren Rahmen gerissen worden. Glasscherben bedecken den ganzen Innenraum und den Garten. Typisch, muss Rohlfs denken, gerade letzte Woche war der Fensterputzer da.
Achim stöhnt. »Hilf mir mal! Ich bin verletzt!«
|123| Doch Rohlfs kann seine Augen nicht abwenden von dem, was er sieht. Der Feuerball ist jetzt nicht mehr so grell – nur noch eine orange-rot glühende Wolke, die sich wie der Hut eines Pilzes auf einem schwarzen Stängel ausbreitet und dabei wie im Zeitraffer in die Höhe wächst.
»Aua! Hilf mir doch mal! Ich blute wie Sau!«
Rohlfs dreht sich um. Sein Freund hält sich den Arm. Ein dünnes rotes Rinnsal läuft daran herab und tropft auf den Boden. Es scheint nicht so schlimm zu sein – Achim stellt sich wieder mal an. »Komm, lass uns reingehen«, sagt Rohlfs.
In ihren Badelatschen tasten sie sich vorsichtig über die Scherben. In der Küche, wo der Verbandskasten ist, sind die Schranktüren aufgeklappt. Zerbrochene Teller liegen auf dem Boden. Ein Paket Zucker ist herausgefallen und aufgeplatzt. Alles in allem nicht so schlimm.
»Warte hier.«
»Was machst du? Ich blute, verdammt!«
»Stell dich nicht so an. Ich rufe jetzt erst mal 112 an. Jemand muss doch Bescheid sagen, dass etwas passiert ist!« Er nimmt das Telefon und tritt wieder heraus auf die Veranda. Die Wolke ist inzwischen so hoch und so breit, dass sie wie ein gigantischer schwarzer Schirm den halben Himmel bedeckt. Ihr Schatten schiebt sich über die Tiefebene heran.
Rohlfs drückt ein paar Telefontasten, doch es ertönt kein Freizeichen. Offenbar sind die Leitungen unterbrochen. Gerade will er wieder in die Küche gehen, um sich um seinen wehleidigen Freund zu kümmern, als er ein Geräusch hört: Ein merkwürdiges Heulen. Es scheint vom Himmel zu kommen.
Er blickt nach oben und erstarrt. Da kommt etwas genau auf ihn zu – etwas Großes, das eine schwarze Spur hinter sich herzieht.
|124| Rohlfs denkt nicht nach. Mit einem Hechtsprung stürzt er sich kopfüber in den Pool.
Selbst unter Wasser hört er die Explosion – verzerrt und seltsam hoch, fast wie das ohrenbetäubend laute Knallen eines Sektkorkens.
Er taucht auf und findet sich in einer Szene wieder, die aus Dantes Inferno stammen könnte. Die Villa, das Nachbarhaus, das diesem Schnösel von Unternehmensberater gehört, der ganze Wald dahinter – alles steht in Flammen. Aus dem Dach seines Hauses ragt etwas, das wie ein großes metallenes Segel aussieht. Rohlfs braucht einen Moment, um zu begreifen, dass es die Tragfläche eines Flugzeugs ist.
Etwas berührt ihn an der Schulter. Erschrocken dreht er sich um. Es ist ein großer Schalenkoffer, der neben ihm im Pool treibt.
Nur ein Gedanke erfüllt Rohlfs: Achim! Er weiß, dass seine Hoffnung vergeblich ist, dass sein Freund nicht schnell genug aus dem Haus gekommen sein kann. Dennoch schwimmt er zur Leiter, um aus dem Pool zu steigen und ihn zu
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