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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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beim Training von einem umstürzenden Lichtmast getroffen wurde und beide Beine verlor. Der alte Japaner, der zweimal innerhalb eines Menschenlebens die Hölle einer |191| Atomexplosion erleben musste und doch die Kraft hatte, einem jungen Chinesen das Leben zu retten. Der kleine Junge, der seinen Namen und seine Adresse aufsagte, in der Hoffnung, jemand könne ihm sagen, wo seine Eltern waren. Und dann die vielen Ärzte, Feuerwehrleute und Helfer, die am Rand der Erschöpfung standen und nicht einmal mehr weinen konnten. Es war einfach zu viel. Viel zu viel.
    Und doch fehlte noch etwas.
    »Wir gehen noch mal in das Zelt da vorn. Ein oder zwei Interviews noch. Dann reicht es.«
    Andreas sah sie sorgenvoll an. »Bist du sicher, dass du das schaffst?«
    Sie versuchte ein Lächeln. »Nein. Aber es ist unser Job, oder?«
    Es war ein Krankenzelt wie alle anderen auch. Die ganze Nacht über hatten Soldaten solche Zelte aufgebaut, und immer noch entstanden neue. Das Lager war inzwischen zu einer Kleinstadt mit mehreren Tausend Bewohnern geworden, die weiter wuchs.
    An einem Feldbett kniete ein Mann über einem reglosen Körper, der von der Strahlenkrankheit gezeichnet war. Es war kaum möglich, das Alter der Gestalt einzuschätzen – ihr graues, eingefallenes Gesicht und das fransige, an vielen Stellen schon ausgefallene Haar ließen sie greisenhaft wirken, dennoch vermutete Faller, dass es sich um den Sohn des Mannes handelte. Am mitleidvollen Blick der Pflegerin, die eben noch mit dem Mann gesprochen hatte, war abzulesen, dass er gerade sein Kind verloren hatte.
    Wie der Mann so kniete und eine Hand seines Sohnes hielt, hatte etwas Anrührendes. Faller bedeute Andreas, ein Bild zu machen. Der Fotograf rollte mit den Augen, gehorchte aber.
    Sie wusste, dass es taktlos wäre, den Mann jetzt anzusprechen, die Intimität des Augenblicks zu zerstören. Also |192| wartete sie, bis der Mann merkte, dass er nicht allein war, und sich langsam umdrehte.
    »Ist das Ihr Sohn?«, fragte sie mit sanfter Stimme.
    Der Mann sah sie an, als wisse er nicht genau, wo er war. »Er heißt Benedikt«, sagte er nach einem Moment. »Benedikt Pauly.«
    Obwohl das Diktiergerät die ganze Zeit lief, notierte Faller den Namen. Es war dem Mann wichtig gewesen, ihn auszusprechen.
    »Es tut mir leid, Herr Pauly.«
    Er nickte nur.
    »Ich bin Journalistin von der
Rasant
. Wollen Sie mir vielleicht von Ihrem Sohn erzählen? Was ist geschehen?«
    »Ich habe ihn im Stich gelassen«, sagte Pauly. »Vor zehn Jahren habe ich ihn allein gelassen, und jetzt ist er tot.« Seine Schultern zuckten, doch es kamen keine Tränen.
    »Sie haben ihn seit zehn Jahren nicht gesehen?«
    »Ich … ich habe gedacht, er ist glücklich bei seiner Mutter und ihrem neuen Mann. Ich dachte, es sei besser, wenn er mich nicht sieht. Aber er hat … er hat …«
    Faller ließ ihm Zeit.
    »… hat auf mich gewartet, die ganze Zeit. Und jetzt ist er tot.«
    Pauly richtete sich auf, und in seinen sanften Augen lag plötzlich eine Entschlossenheit, die Faller immer wieder in den müden, verstörten Gesichtern hier im Lager gesehen hatte. Es war dieser unter all dem Leid und Schmerz immer noch glimmende Willensfunke, der die Menschen verband. Das war der rote Faden, den sie gesucht hatte. Jetzt brauchte sie nur noch einen passenden Begriff dafür.
    »Was empfinden Sie jetzt?«, fragte sie.
    Pauly überlegte einen Moment, bevor er seine Antwort gab.
    »Zorn.«

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    Lennard blickte aus dem Fenster. Die Schaukel auf dem kleinen Spielplatz war leer, in der Sandkiste lag nur eine vergessene blaue Backform. Es war ein regnerischer Montagvormittag im August, zu kühl für die Jahreszeit, wie der Mann vom Wetterbericht festgestellt hatte. Doch der Regen war ungefährlich – die Wolke radioaktiven Materials hatte sich inzwischen über die gesamte Erde verteilt, und die Strahlenbelastung war nur noch unwesentlich höher als normal.
    Die alte Zengeler saß in ihrer Küche und löste Kreuzworträtsel wie immer. Er sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. Sie zeigte drei Minuten nach fünf.
    Bens Uhr. Das Einzige, was ihm von seinem Sohn geblieben war. Eine permanente Erinnerung an sein Versagen als Vater. Eine Quelle ohnmächtiger Wut, die seinen Magen zusammendrückte.
    Eine Frau in dunkelgrünem Regenmantel schleppte zwei Plastiktüten über den nassen Kiesweg. Sie ging mit schnellen Schritten und sah sich immer wieder um. Lennard konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber er

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