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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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zerknitterte Jeans. Dazu setzte er eine dicke Hornbrille mit ungeschliffenen Gläsern auf. Er packte ein paar Sachen in einen abgewetzten, altmodischen Lederkoffer, der einmal Martina gehört hatte, und fuhr zurück zu dem kleinen Hotel »Am Park«.
    »Mein Name ist Fred Wolfenberger. Vielleicht haben Sie schon von mir gehört«, sagte er der jungen Frau an der Rezeption.
    Sie schaute erwartungsgemäß verunsichert drein. »Waren Sie schon einmal bei uns?«
    »›Das Sehnen des Albatros‹. Oder vielleicht ›Nachts, wenn der Schakal heult‹. Na?«
    Die arme Frau versuchte verzweifelt, Lennards frei erfundene Identität einzuordnen. »Es tut mir leid, aber …«
    »Schon gut, es liest eben nicht jeder gern. Ich bin Schriftsteller.«
    »Aha. Ja, wissen Sie, ich lese meistens Liebesromane … Wie lange bleiben Sie denn in Hamburg?«
    »Ich wohne in Hamburg.«
    »Ach so. Sie möchten einen Gast besuchen?«
    »Nein, nein, ich möchte ein Zimmer. Ein ruhiges Zimmer. Ohne Vogellärm. Vögel machen mich nervös.«
    |230| Jetzt war die junge Frau vollends verwirrt, genauso wie Lennard es beabsichtigt hatte. Als verschrobener Schriftsteller würde er keinen Verdacht erregen, wenn er viel Zeit auf seinem Zimmer verbrachte.
    »Für wie lange möchten Sie denn ein Zimmer?«
    »Bis es fertig ist. Mein Manuskript, meine ich. Wissen Sie, ich brauche immer einen Tapetenwechsel, wenn ich ein neues Buch schreibe. Neue Einflüsse. Neue Ideen.«
    »Ich verstehe. Ich kann Ihnen ein schönes Zimmer im zweiten Stock geben, mit Blick auf den Park …«
    Lennard ließ seine Stimme so arrogant klingen, wie er es sich von einem erfolgsverwöhnten, von sich selbst eingenommenen Schriftsteller vorstellte. »Gute Frau, Sie sollten wirklich mehr lesen! Lesen schult die Auffassungsgabe.«
    »Wie bitte?«
    »Ich hatte doch deutlich gesagt, dass ich keinen Vogellärm wünsche. Nichts stört die Konzentration am frühen Morgen so wie das Liebeswerben der Amseln!«
    »Ja, natürlich. Dann ein Zimmer zur Straße? Oder stört Sie der Verkehr auch? Es ist zwar eine Einbahnstraße, aber …«
    »Nein, Autos sind kein Problem. Ich bin an einer vierspurigen Ausfallstraße aufgewachsen. Autos zwitschern nicht. Sie machen ein gleichmäßiges, tiefes Geräusch, das mich eher beruhigt.«
    Das Hotel hatte keinen Fahrstuhl, aber das Zimmer war gemütlich eingerichtet, mit einer hellblauen, dezent gemusterten Tapete, einem altmodischen Metallbett und einem modernen, komfortablen Badezimmer. Vor dem Fenster stand ein kleiner Schreibtisch, auf den Lennard seinen Laptop stellte. Von hier aus konnte er problemlos den Eingang von Pawlows Haus observieren.
    Er wartete bis zum frühen Nachmittag, bevor er in dessen |231| Wohnung eindrang. Um diese Zeit waren am wenigsten Menschen unterwegs.
    Das altmodische Schloss an der Haustür war kein Problem für ihn. Pawlows Wohnungstür war besser gesichert. Er brauchte einige Minuten, bis er sie mit seinem Spezialwerkzeug geöffnet hatte, ohne Spuren zu hinterlassen.
    Was er tat, war natürlich illegal. In die Wohnung einer Zielperson einzubrechen war auch für Treidel Security der Ausnahmefall, vorbehalten für besondere Situationen, in denen man sicher sein konnte, dass der derart Bespitzelte im Fall der Entdeckung keine Anzeige erstatten würde. Bei Pawlow war dieses Risiko gering. Er würde nicht gegen seinen Arbeitgeber vorgehen, selbst wenn dieser ihm misstraute, was in seinem Job normal war. Außerdem würde er sich wohl kaum die Blöße geben, öffentlich einzugestehen, dass er nicht einmal seine Privaträume vor unbefugtem Zugriff und fremder Überwachung sichern konnte.
    Pawlows Wohnung war modern eingerichtet. An den Wänden hingen signierte Kunstdrucke, eher dekorativ als künstlerisch wertvoll, soweit Lennard das beurteilen konnte. In einem Raum fand er eine Ruderbank, eine Turnmatte und ein Gestell mit Hanteln in verschiedenen Größen. Auf einem Regal stand eine Sammlung von Pokalen. Pawlow war früher einmal Berliner Landesmeister im Geräteturnen gewesen, bevor er zur Eliteeinheit GSG9 gegangen war. Danach hatte er für eine Sicherheitsfirma gearbeitet und war vor zwei Jahren zu Always Online gewechselt.
    Das große Bett war mit schwarzer Satinbettwäsche bezogen und zerwühlt, doch ansonsten wirkte die Wohnung eher nüchtern – wahrscheinlich verbrachte Pawlow hier weniger Zeit als in Hotelzimmern, wenn er seinen Chef auf Dienstreisen begleitete.
    Lennard montierte Kameras in die Deckenleuchten im Schlafzimmer

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