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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Souvenirjäger aus den Trümmern geborgen hatten. Das Internet war voll von Fotos, die grinsende Menschen in leichter Bekleidung mitten in den Ruinen zeigten, so als posierten sie vor dem Eiffelturm oder dem Schiefen Turm von Pisa. Obwohl empfindliche Geldstrafen für das Überschreiten der Sicherheitsgrenzen verhängt wurden, schien die Zahl der »Todesläufer«, wie sie inoffiziell genannt wurden, immer größer zu werden. Einige reisten extra aus Ländern wie Russland, Australien und Japan an.
    Sie hatte gedacht, dass es dringend notwendig sei, einen Artikel über diese Verrückten zu machen, um die Öffentlichkeit vor den Gefahren zu warnen. Doch inzwischen |224| fürchtete sie, dass der Beitrag nur noch mehr Idioten anlocken würde.
    Es würde ohnehin schwer sein, an den Erfolg ihres Artikels über den Zorn der Opfer anzuknüpfen, der kurz nach der Katastrophe erschienen war und hohe Wellen geschlagen hatte. Er hatte viel Kritik ausgelöst, aber mindestens ebenso viel Zustimmung erhalten.
    Gegen alle politische Korrektheit, gegen alle Beschwichtigungsversuche hatte Faller aufgeschrieben, was die Leute wirklich dachten – was sie selber dachte. Der Schock über das, was geschehen war, saß unmittelbar nach dem Anschlag auch bei ihr tief. Sie hatte es vermieden, in den Spiegel zu schauen, aus Angst, darin zu sehen, wie sie den Opfern, die sie interviewt hatte, immer ähnlicher wurde. So waren die ganze Wut und Verzweiflung jener Tage in ihren Text eingegangen und hatten ihn zu dem ehrlichsten und bewegendsten Stück gemacht, das sie je geschrieben hatte.
    »Zorn« war nicht nur ein Artikel, es war ein neues deutsches Gefühl, das sogar von der internationalen Presse aufgegriffen wurde. »From German Angst to German Zorn«, hatte die
Washington Post
getitelt. »Zorn« hatten amerikanische Kampfpiloten auf die Bomben geschrieben, die sie über Teheran abwarfen. »Zorn« war auf unzähligen Stirnen, Hinterköpfen und Handrücken tätowiert. Es war millionenfach auf Mauern und Autos gesprüht worden.
    Zugegeben, die Gewalt gegen Ausländer hatte einen unangenehmen Höhepunkt erreicht. Faller war sich bewusst, dass viele Leute über die Stränge schlugen und Unschuldige zu Schaden kamen. Doch nicht ihr Artikel war schuld daran, sondern die Terroristen, die die Bombe gezündet hatten. Die
Rasant
hatte nur zum Vorschein gebracht, was in den Herzen der Menschen längst geschrieben stand.
    Seit der Katastrophe behandelte Dirk Braun sie mit einem beinahe unterwürfigen Respekt, den sie fast noch |225| unerträglicher fand als seine herablassende Art zuvor. Die Tatsache, dass sie bei der Katastrophe dabeigewesen und verstrahlt worden war, hatte ihr einen Sonderstatus in der Redaktion beschert. Die anderen scherzten nicht mehr, wenn sie in der Nähe war, sondern warfen ihr nur verstohlene, mitleidige Blicke zu. Niemand gab ihr mehr Anweisungen – stattdessen fragte man sie nach ihren Wünschen, als sei sie der Verlagseigentümer persönlich. Wie sehr wünschte sie sich die alten Zeiten zurück, in denen sie als Zicke gegolten und sich ständig mit Dirk Braun herumgestritten hatte!
    »Wann erscheint denn der Artikel über uns?«, fragte der Verrückte ihr gegenüber.
    Erneut stieg die Wut in Faller hoch. »Gar nicht«, sagte sie, stand auf und verließ unter den verblüfften Blicken ihrer Gesprächspartner ohne ein weiteres Wort die Wohnung.
    Als sie auf die Straße trat, fiel ihr Blick auf die Wand eines heruntergekommenen Wohnhauses. »Moslems raus!«, hatte jemand quer über die Fassade gesprüht. Und: »Zorn!«
    Eine Mischung aus Stolz und Abscheu erfüllte sie bei diesem Anblick.

|226| 47.
    Lennards Handy klingelte. Auf dem Display stand »Roland Treidel«. Er wollte gerade zum Friedhof fahren und überlegte, einfach nicht abzunehmen. Aber schließlich war Montag, und er hatte seinem Chef versprochen, sich bereitzuhalten.
    »Können Sie bitte gleich ins Büro kommen? Ich habe einen Auftrag.«
    »Ich muss noch was erledigen. Sagen wir, um elf?«
    »Gut. Bis nachher.«
    Fabienne Berger lächelte, als er den Laden betrat. Es schien ihm mehr zu sein als die Freundlichkeit, die sie normalen Kunden entgegenbrachte, aber vielleicht war auch nur sein Wunsch der Vater dieses Gedankens. »Guten Morgen, Frau Berger! Ich hätte gern wieder einen Strauß roter Rosen, so wie neulich.«
    Sie blickte überrascht. »Sind denn die Rosen von Samstag schon verwelkt?«
    »Nein, aber ich möchte trotzdem gern frische kaufen.«
    Er bezahlte

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