Schwarzer Regen
du krank warst. Wofür
hältst du dich eigentlich, mir so was zu sagen? Und anderen ihre Freundlichkeit
jetzt vorzuhalten!“
„Ihre Freundlichkeit vorhalten? Was soll denn
das nun wieder? Du meinst wohl, der See gehört dir, bloß weil du das Wehr
bedienst. Da bist du aber auf dem Holzweg, meine Liebe! Jeder vom
Bewässerungsausschuß kann hier angeln, wenn er Lust hat. Das ist doch bekannt.“
„Na, sag ich ja die ganze Zeit, daß euch das
guttut. Und deshalb meine ich auch, ihr habt ein feines Leben.“
„Warte, du verdammtes Aas von einer Witwe!“
Er tat so, als wollte er aufspringen, aber das
lahme Bein hinderte ihn. Da seine Beine an der Seeseite des Dammes
herunterhingen, kam er nicht so schnell hoch. Er begann sich auf dem Gesäß zu
drehen, um nicht von der Böschung zu rutschen, aber inzwischen war die Frau
wieder auf dem Pfad, der vom Damm bergabführte. Doch noch nicht zufrieden,
hatte sie die Tragegurte ihres Korbs, die zuerst über beiden Schultern hingen,
keß auf eine Schulter geworfen, um so noch im Davongehen selbst mit der Hinterseite
aufzutrumpfen.
„Na, ist dir so etwas schon vorgekommen! Mein
Gott!“ ereiferte sich Shokichi und starrte ihr nach. „Da möchte man doch aus
der Haut fahren.“ Es hatte ihn so gepackt, daß er das Wasser mit der Angel
peitschte. „Die vom Ikemotohof haben vergessen, daß auf Hiroshima und Nagasaki
Atombomben gefallen sind. Jeder hat das vergessen, hat die Höllenfeuer
vergessen, durch die wir an dem Tag gegangen sind — sie haben das und alles
andere vergessen — , aber sie demonstrieren gegen die
Bombe. Es kotzt mich an, das Gerenne und Geschrei.“
„Nur ruhig, Shokichi, ruhig — so kann man das
doch nicht sehen... Da, paß auf, da beißt einer. Deine Pose wackelt!“
Und wie im Märchen wurde die Pose der Angel, mit
der er eben aufs Wasser geschlagen hatte, kräftig nach unten gezogen. Shokichi
hob die Angel hoch und zog eine große Plötze heraus, die den Haken tief im
Schlund hatte. Man braucht wohl nicht zu sagen, daß dieser Deus ex machina
seinen Zorn völlig besänftigte. Den Rest des Tages angelte er stetig weiter und
fing fast acht Pfund Fische. Dennoch kamen er und Shigematsu überein, für eine
Weile nicht mehr am See zu angeln.
Der dritte Freund, Asajiro, war als Mitglied des
Arbeitskommandos in Hiroshima gewesen, als die Bombe fiel. Er hatte sich
freiwillig gemeldet. Seine Symptome waren die gleichen. Sobald er einen
schweren Karren zog oder auf dem Feld arbeitete, bekam er den ominösen
Ausschlag, kleine Pusteln auf der Kopfhaut, die aber eintrockneten, wenn er
kräftig aß, angeln ging oder sich sonst leichte Bewegung verschaffte. Bei
seiner Ernährung folgte er nicht den Anweisungen des behandelnden Arztes,
sondern lebte nach einer Diät, die ein Heilpraktiker der Moxibustion ihm
vorgeschrieben hatte. Er nahm drei Mahlzeiten am Tag ein, wozu jedesmal zwei
Schalen Suppe aus Bohnenmus, gebackener Tofu und gedörrter, geschnitzelter
Rettich gehörten, sowie ein rohes Ei und mindestens einmal täglich eine Zehe
Knoblauch. Seine ärztliche Behandlung bestand in einer wöchentlichen Sitzung
bei dem Heilpraktiker. In der Tenne seiner Scheune hingen in langen Reihen
Rettiche, die darauf warteten, gegessen zu werden.
Asajiro war von Kindheit an gern angeln gegangen
und hatte großes Geschick, Aale zu fangen. Er benutzte dazu eine
selbstgefertigte Vorrichtung aus einem Bambusrohr. Am Abend vor dem
Bombenabwurf auf Hiroshima hatte er die Unterkunft nach Einbruch der Dunkelheit
verlassen (als Angehöriger eines freiwilligen Arbeitskommandos konnte er sich
ja frei bewegen), war zum Fluß gegangen und hatte am Westende der
Sumiyoshi-Brücke seine Bambusfalle im Flußbett aufgestellt. Am nächsten Morgen
zog seine Einheit wie üblich mit dem Vorarbeiter an der Spitze zur Arbeit. Als
sie eine weitentfernte Detonation hörten, hatte sich Asajiro mit seinem Freund
Shokichi unter der Brücke versteckt. Sie waren in ein verdecktes Boot
gestiegen, das dort festgemacht lag. Wegen der Flut stand das Wasser etwa zwei
Meter hoch. Gleich darauf aber hörten sie die Entwarnung, Asajiro kletterte aus
dem Boot, zog die Bambusfalle heraus und kroch wieder unter die Plane, um den
Aal herauszunehmen, ohne von jemandem gesehen zu werden. Shokichi war mit ihm
im Boot.
Die Plane bestand aus einem alten Stück
Segeltuch von schreiend gelber Farbe, auf das viele Flicken genäht waren. Der
breite Rand, der ringsum herabhing, war ebenfalls gelb. Asajiros
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