Schwarzer Regen
gesteckt, eins, in dem
Geheimwaffen der Armee lagerten. Ich war auf dem Bahnhof Yokogawa, als das
passierte, dann bin ich neben den Gleisen zurückgegangen, habe aber nichts von
dem schwarzen Regen bemerkt. Ich nehme an, das sind Ölspritzer.“
Wenn das wirklich Giftgas ist, dachte ich, dann
ist es das Ende. Entsetzliche Angst überfiel mich, dann wurde ich schrecklich
traurig. Sooft ich auch zum Zierbrunnen ging, um mich zu waschen, die Flecken
vom schwarzen Regen wollten nicht abgehen. Als Färbemittel wäre das ein voller
Erfolg, ging es mir durch den Sinn.
Yasukos Aufzeichnungen für den 9. August endeten
hier. Es wäre schon besser, überlegte Shigematsu, den Bericht vom schwarzen
Regen auszulassen, wie seine Frau vorgeschlagen hatte. Aber was würde
geschehen, wenn sie eine Abschrift des Tagebuchs an die Heiratsvermittlerin
schickten und diese dann das Original sehen wollte. Irgendwas mußte einem noch
einfallen. Shigematsu wollte die Frage erst einmal aufschieben. Und doch, sagte
er sich, als am 6. August kurz nach acht die Bombe fiel, muß Yasuko mehr als
zehn Kilometer vom Zentrum der Explosion entfernt gewesen sein. Er selbst war
in Yokogawa nur zwei Kilometer vom Zentrum entfernt gewesen, wenn er auch
Verbrennungen im Gesicht hatte, war er doch am Leben geblieben. Es soll Leute
gegeben haben, die sich in derselben Gegend aufgehalten und nicht einmal
Verbrennungen erlitten hatten und jetzt ein völlig normales Eheleben führten.
Er überlegte, ob er der Vermittlerin nicht den
Bericht aus seinem eigenen Tagebuch zeigen sollte, damit der Unterschied in
ihren Erlebnissen völlig deutlich würde. Diesmal durfte sich Yasukos
Heiratsaussicht auf keinen Fall wieder zerschlagen. Seit kurzem war Yasuko kaum
wiederzuerkennen. Ihre Augen hatten einen neuen, fast übernatürlichen Glanz,
und sie wirkte sehr jung und frisch. Er wußte, daß sie auf jede nur denkbare
Weise versuchte, attraktiver auszusehen, ohne dabei besonders aufzufallen.
Verzweifelt fühlte Shigematsu, diesmal konnte er ihre Freude auf die in
Aussicht stehende Heirat einfach nicht enttäuschen. „Shigeko!“ brüllte er, als
fände er dadurch einen Ausweg aus seiner Beklemmung. „Bring mir doch mal mein
Tagebuch vom Bombenabwurf! Shigeko! Du weißt doch, du hast es in deine Kommode
gelegt. Ich will’s der Heiratsvermittlerin zeigen, bring’s mal her.“ Shigeko,
die ihn im Nebenzimmer auch ohne sein Gebrüll mühelos verstanden hätte, brachte
ihm sofort das Tagebuch.
„Ich müßte meine Aufzeichnungen sowieso bald in
Reinschrift übertragen, weil ich sie der Gemeindeschule für die Bücherei
schenken will. Ehe ich sie dort abliefere, möchte ich sie der
Heiratsvermittlerin zeigen.“
„Yasukos Tagebuch dürfte doch für die Vermittlerin
genügen, meine ich.“
„Ja, aber meins dient als eine Art Anhang dazu.
Wenn es im Leseraum der Schulbücherei stehen soll, muß es sowieso irgendwann
sauber abgeschrieben werden.“
„Machst du dir da nicht eine unnötige Arbeit?“
„Das ist mir egal. So ist nun mal meine Natur,
ich muß mich mit irgendwas beschäftigen. Dieses Tagebuch von der Bombe ist mein
Stück Geschichte, das in der Schulbücherei aufbewahrt werden soll.“
Shigeko sagte nichts weiter. Mit
selbstgefälliger Miene holte Shigematsu ein neues Heft hervor und begann,
seinen eigenen Bericht über die Bombe abzuschreiben.
Manuskript, genannt „Aufzeichnungen über den
Abwurf der Atombombe“, niedergeschrieben von Shigematsu Shizuma im Zimmer eines
gemieteten Hauses in der Stadt Furuichi, Bezirk Asa der Präfektur Hiroshima, im
Monat September 1945
6. August. Heiter.
Bis gestern sagte die bekannte Stimme im Radio
jeden Morgen an: „Ein Pulk von acht B-29-Maschinen ist im Anflug in nördlicher
Richtung und befindet sich über der See, hundertzwanzig Kilometer südlich vom
Kii Kanal.“ Heute morgen hieß die Ansage: „Eine B-29
im Anflug in nördlicher Richtung.“ Aber wir achteten gar nicht darauf, weil
diese Meldungen schon seit langem Tag und Nacht durchgegeben wurden. Wir hatten
uns an die Fliegerwarnungen so gewöhnt, daß wir uns kaum mehr darum kümmerten
als früher um die Mittagssirene.
Auf meinem Weg zur Arbeit ging ich zum Bahnhof
Yokogawa und wie üblich auf den Bahnsteig, um in den Zug nach Kabe zu steigen.
Der Zug mußte jeden Moment abfahren. Den Bahnbeamten an der Sperre kannte ich
vom Sehen, der Bahnsteig war schon leer. Als ich auf die Plattform sprang,
sagte jemand: „Guten Morgen, Herr
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