Schwarzer Regen
Zehntausende von
Jungfischen, die alle in den Teichen der Nachbarschaft ausgesetzt werden
sollten.
Shokichi brachte, wie angekündigt, das Gehäuse
einer Seeohrschnecke mit, das er an einem Bambusstab befestigt hatte, und
pflanzte es neben dem Teich auf, um, wie er sagte, die Wiesel zu verjagen.
„Sieh an — ein Seeohr“, sagte der junge Fischzüchter und legte eine Pause beim
Ausschöpfen der Jungfische ein. „Das ist noch von früher, nicht wahr? Eine
Seeohrschnecke... Ich glaube, sie erinnert die alten Leute in dieser Gegend an
vergangene Geschichten.“ Er hatte dreitausend Jungfische in den Teich gesetzt
und dabei nicht einen umkommen lassen. Das war vor drei Tagen, als ein feuchtwarmer,
stickiger Wind wehte.
Mit dem Teich schien alles in Ordnung zu sein,
und von den Fischen waren kaum welche eingegangen. Als sich Shigematsu davon
überzeugt hatte, ging er nach Hause. Dort traf er Yasuko, die mit einer Kette
im Schornstein der Badestube rasselte, um den Ruß zu lockern. Shigeko hatte die
Strohmatten aus dem Garten in die Tenne der Scheune geschafft und kam ans Tor.
„Wäre es nicht besser, die eine Stelle in
Yasukos Tagebuch auszulassen?“ sagte sie. „Damals, als sie es niederschrieb, konnte
man noch von dem schwarzen Regen reden, ohne damit die Leute auf komische
Gedanken zu bringen, weil noch keiner wußte, daß er irgendwie schädlich war.
Aber heute weiß das jeder. Wenn wir die Stelle in der Abschrift übernehmen,
könnten sie sich da nicht falsche Vorstellungen machen?“
„Wie weit bist du denn mit dem Abschreiben?“
„Das ist es ja gerade — ich wollte dich erst
fragen, deshalb hab ich gewartet. Verstehst du denn nicht — da steht drin, daß
sie in den Regen kam.“
„Ach ja — der Regen... dann hast du also noch
nicht ein einziges Wort abgeschrieben?“
Und mit einemmal überfiel ihn wieder die
Erinnerung an jenen Tag, an dem die Bombe fiel, er ging ins Haus und schimpfte
vor sich hin. Yasukos Tagebuch und ihre Notizbücher lagen auf dem Tisch im
Hinterzimmer gestapelt. Er blätterte sie durch und stellte fest, daß er selbst
noch nicht einmal ein Fünftel des Ganzen bewältigt hatte. „Zum Kuckuck mit
diesem schwarzen Regen“, murmelte er, „mit den falschen Vorstellungen der Leute
und mit ihrer Angst vor dem, was die Leute denken.“ Er las weiter in Yasukos
Tagebuch.
Es schien Nacht zu werden, aber nachdem ich eine
Weile zu Hause gesessen hatte, merkte ich, daß es dunkel wurde, weil schwarze
Rauchwolken den Himmel bedeckten. Meine Tante und mein Onkel waren unterwegs,
um mich zu suchen. Onkel Shigematsu hatte sich auf dem Bahnhof Yokogawa
aufgehalten, als die Bombe fiel, und wurde an der linken Wange verletzt. Das
Haus stand schief, aber Tante Shigeko war unversehrt. Erst als Onkel Shigematsu
es mir sagte, bemerkte ich, daß meine Haut wie mit Schlamm bespritzt aussah.
Meine weiße kurzärmlige Bluse war ebenso besprenkelt, und der Stoff fiel an den
fleckigen Stellen aus. Als ich in den Spiegel blickte, sah ich überall diese
Spritzer, bloß nicht da, wo ich den Luftschutzumhang drüber hatte. Vor dem
Spiegel erinnerte ich mich plötzlich an den schwarzen Regenschauer, in den wir
geraten waren, nachdem uns Herr Nojima in das Schwarzmarktboot gebracht hatte.
Es muß etwa zehn Uhr vormittags gewesen sein. Dunkle Gewitterwolken trieben uns
aus der Stadt entgegen, und der Regen fiel aus ihnen fingerdick. Ganz
unvermittelt hörte es wieder auf. Es wurde kalt, so kühl, daß mich fröstelte,
obwohl wir doch Sommer hatten. Ich war bestimmt völlig durcheinander. Ich
glaubte erst, es hätte schon zu regnen angefangen, als ich noch auf dem LKW
saß. In Wirklichkeit aber war dieser Regenschauer nur eine Husche gewesen, wie
um mich zu narren. Eine trügerische Husche!
Ich wusch mir die Hände am Zierbrunnen, aber
selbst kräftiges Scheuern mit Seife konnte die Spritzer nicht entfernen. Sie
saßen fest in der Haut. Sonderbar! Ich zeigte sie Onkel Shigematsu, der meinte:
„Das könnte Öl von einer Ölbombe sein, möglicherweise war es eine Ölbombe.“
Dann sah er sich mein Gesicht an und sagte: „Es könnte auch Giftgas sein — es
ist eine Art Schlamm, aber er haftet fest. Vielleicht haben sie eine
Giftgasbombe abgeworfen.“ Er betrachtete es noch einmal und meinte dann: „Es
muß auch nicht Giftgas sein, vielleicht hat sich irgend etwas aus einem
japanischen Munitionslager ausgebreitet, das in die Luft geflogen ist. Kann
sein, irgendein Spion hat ein Munitionslager in Brand
Weitere Kostenlose Bücher