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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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eine B-29 die Atombombe abwarf. Was folgt, ist
Iwatakes eigener Bericht über die Ereignisse.
    Die Zeremonie war nach ungefähr zwanzig Minuten
vorbei. Gerade als wir wegtreten sollten, wurden wir vom Oberarzt noch
abgekanzelt ,’ daß wir bei Fliegeralarm den
entsprechenden Dienstvorschriften nicht schnell genug nachkamen. Da hörten wir
das bekannte Dröhnen einer B-29. Die Maschine kam von Süden, und als sie direkt
über uns sein mußte, schaute ich unwillkürlich zum Himmel. Einen Augenblick
lang sah ich eine Art Fesselballon, der hinter dem Kasernendach träge vom
Himmel herabschwebte. Im nächsten Moment zuckte es weiß auf wie ein Blitz oder wie
das Leuchten einer großen Menge Magnesium, die auf einmal in Brand gesteckt
wird. Ich spürte eine Welle sengender Hitze. Gleichzeitig gab es einen
fürchterlichen Krach, das war alles, was ich noch wahrnahm. Was danach geschah
oder wieviel Zeit verstrichen war, weiß ich nicht. Von der Hitzewelle zu Boden
geworfen, muß ich wohl das Bewußtsein verloren haben.
    Jemand, der mir mit seinem Soldatenstiefel im
Nacken und auf dem Kopf herumtrat, in dem Bemühen, selbst hochzukommen, brachte
mich wieder zum Bewußtsein. Ich war irgendwo im Stockdunkeln, fest eingeklemmt
unter einem Balken. Langsam kam ich in der Enge, in der ich mich unmöglich
bewegen konnte, wieder zu mir; ich konnte in der Dunkelheit einen schwachen
Lichtschein erkennen, und unter Aufbietung aller meiner Kräfte versuchte ich,
in diese Richtung zu kriechen. Dabei stellte ich fest, daß ich mich unter einem
Holzdach befand, das alle Ziegel eingebüßt hatte.
    Ich muß ziemlich lange gebraucht haben, fand
mich aber schließlich in freier Luft wieder. Ich blickte in die Runde und hatte
den Eindruck, mich zwischen dem Büro der Allgemeinen Verwaltung und der Küche
zu befinden. Selbst die Entfernung abgerechnet, die ich schon gekrochen war,
mußte ich doch eine ziemlich große Strecke geschleudert worden sein. Die zweistöckigen
Gebäude des Krankenreviers und der Ausbildungseinheit standen nicht mehr. Alles
war dem Erdboden gleichgemacht und lag in einem Chaos verstreut. Ringsum
herrschte Stille, nirgends ein Lebenszeichen. Es war dunkel, als wollte die
Dämmerung hereinbrechen, und wo ehemals die Küche und das Revier gelegen
hatten, stieg schwarzer Rauch auf.
    Die rechte Seite meiner Uniform schwelte und
qualmte; die Brieftasche, die ich in meiner rechten Brusttasche gehabt hatte,
die Uhr vom linken Handgelenk und meine Brille waren verschwunden. Nach einer
Weile gelang es mir, das Feuer an der Uniform auszudrücken. Die Haut von meinem
rechten Handrücken hatte sich abgeschält und hing herunter, grauweiß verfärbt,
das rohe Fleisch darunter war mit schwarzer Erde bedeckt. Mein ganzes Gesicht
glühte, und der Handrücken und die Finger der linken Hand waren zwar nicht
abgeschält, aber ganz weiß geworden, wie verätzt. Von der Gürtellinie abwärts
hatte ich keine Beschwerden, auch beim Gehen nicht, aber mein Rücken mußte etwas
abbekommen haben, von einem Balken vielleicht, denn dort spürte ich
unerträgliche Schmerzen. Da ich nichts Besseres tun konnte, versuchte ich mich
zum Waschplatz vorzutasten, dessen Säulen noch standen. Ich drehte einen Hahn
auf, und zu meiner großen Überraschung kam auch Wasser heraus. Ich wusch
zunächst den Schmutz von meinem Handrücken, verband ihn dann mit einem
Lendentuch, das jemand im Trockenraum hatte liegenlassen. Ich bin stark
kurzsichtig. Ohne meine Brille ist alles undeutlich, und entferntere
Gegenstände sehe ich nur verschwommen.
    Es war niemand in der Nähe. Ich schleppte mich
vom Waschplatz fort und erreichte tatsächlich das Ufer des Ota-Flusses. Hier
fand ich zwei oder drei Soldaten, die ich vom Sehen her kannte, ein weiterer
lag halb nackt auf der Erde.
    Ein Stapel Decken, der während des
Fliegerangriffs aus der Kaserne geschafft worden war, lag draußen; ich nahm mir
eine und ließ mich darauf fallen. Die Anspannung wich, ich fühlte mich
ausgepumpt und erschöpft. Wir wurden nach und nach fünf oder sechs, aber keiner
von uns konnte auch nur annähernd erklären, was vorgefallen war. Wir hatten nur
ein Gefühl des Entsetzens angesichts der Auswirkungen. Die Zerstörungskraft war
phantastisch. Zuerst hatte ich gedacht, die Kaserne wäre durch einen knapp
danebengegangenen Treffer zerstört worden, aber als ich mich langsam beruhigte,
begriff ich, daß es nicht stimmte, denn die Häuser am gegenüberliegenden Ufer
waren ebenfalls alle

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