Schwarzer Regen
Besuch mitbrachten.
Seitdem habe ich mit aller Sorgfalt die Angelegenheit verfolgt, die Sie erwähnt
hatten, und schreibe Ihnen jetzt, um Ihnen mitzuteilen, zu welchen
Schlußfolgerungen ich gekommen bin.
Zuallererst möchte ich feststellen, daß uns bei
der Genesung meines Schwagers das Schicksal erstaunlich wohlgesinnt war. Meine
ganze „Behandlung“ bestand in ein paar Injektionen mit Ringerscher Lösung und
einigen Bluttransfusionen. Ansonsten waren mir die Hände gebunden, ich konnte
nur danebenstehen und beobachten. In der Hoffnung, daß Sie diesen Umstand
gebührend in Betracht ziehen, ließ ich mir von meinem Schwager die
Aufzeichnungen schicken, die er über seine Erfahrungen niedergeschrieben hat,
und übersende sie Ihnen mit gesonderter Post. Einer meiner Gründe dafür ist,
daß ich der Anschuldigung entgehen möchte, als Arzt die Behandlung eines
Patienten abgelehnt zu haben. Zum anderen hoffe ich, Sie werden daraus ersehen,
wie wesentlich für den Patienten sein Wille ist, die Krankheit niederzuringen.
Die Aufzeichnungen zeigen auch, wenn ich das hinzufügen darf, daß man selbst in
der tiefsten Not den Glauben an eine wunderbare Heilung nicht aufgeben darf.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir nach der
Lektüre das Manuskript zurücksenden wollten. Darf ich meine aufrichtigen Gebete
für die Genesung und das Wohlergehen der Kranken hinzufügen?
Der Bericht trug den Titel „Notizen über die
Bombardierung von Hiroshima von Hiroshi Iwatake, Sanitätsreserve“. Ganz
offensichtlich hatte Dr. Hosokawa, der nicht recht wußte, wie er sich
angesichts Shigematsus Bitte um das Unmögliche verhalten sollte, eigens mit
Tokio telefoniert und Iwatake um Übersendung der Blätter gebeten.
Shigematsu saß an Shigekos Bett und las, wobei
er ein über das andere Mal ausrief: „Ein Wunder! Wirklich, ein Wunder!“ — „Wir
müssen es auch Yasuko lesen lassen“, sagte Shigeko. Es stand alles drin, was
schon die Frau von der Wassermühle
erzählt hatte. Iwatake war weit schwerer verletzt worden als Shigematsu. Er
bestand nur noch aus Haut und Knochen, seine Finger waren zusammengeschmolzen,
und Maden hatten eins seiner Ohrläppchen zerfressen. Und trotzdem war er
durchgekommen. Eine Hauttransplantation hatte sogar seinen Fingern wieder eine
normale Form gegeben. Heute arbeitete er als praktischer Arzt in Suzaki-cho in
Mukojima, Tokio.
Die Aufzeichnungen begannen wie folgt:
Mein Einberufungsbefehl, auf rotem Papier
gedruckt, beorderte mich zum 1. Juli 1945.zur Kaserne der Zweiten
Hiroshima-Einheit. Ich brachte rasch meine Angelegenheiten in Ordnung und nahm
einen Zug von Tokio Richtung Westen. Nagoya und Osaka waren durch die
Luftangriffe sehr zerstört. In Okayama brannte der Bahnhof noch von dem Angriff
in der vorhergehenden Nacht. Es begann zu nieseln, und ich sah eine Gruppe
Ausgebombter, die halb nackt neben den Schienen gingen und Kissen über ihre
Köpfe hielten, um sich vor dem Regen zu schützen.
Ich stieg in Fukuyama aus, besuchte noch einmal
meine Frau und die Kinder, die wegen der Luftangriffe in das Dorf Yuda
evakuiert worden waren, und zog die Rekrutenmontur an. Ich ging zum Barbier,
ließ mir den Schnurrbart abnehmen und den Kopf kahl scheren. Dann setzte ich
mir eine Feldmütze auf, legte die Gamaschen an, schulterte meinen Rucksack und
stieg in den Zug nach Fukuen; meine Frau und mein Schwager hatten mich zum
Bahnhof begleitet. Die Altersgrenze für die letzte Einberufung soll bei 45
liegen. Ich war ein Landsturmrekrut, der kurz vor seinem 45. Geburtstag zur
Fahne gerufen wurde. Man sollte sich eigentlich photographieren lassen, falls
man im Kampf fiel, aber das brachte ich nicht über mich.
Ich blieb die Nacht über bei Verwandten in
Hiroshima. Am i. Juli, um 8 Uhr morgens, betrat ich zum erstenmal in meinem
Leben eine Kaserne. Ich war einer von über fünfzig Einberufenen, die sich auf
dem Hof vor der Sanitätsstube versammelten. Alle stammten aus der Präfektur
Hiroshima oder aus der Präfektur Okayama. Es heißt, daß Mediziner aus der
Präfektur Yamaguchi auch in das Yamaguchi-Regiment kamen, während die Ärzte aus
der Präfektur Shimane in das Hamada-Regi-ment gesteckt wurden. Man informierte
uns, daß wir zunächst nicht zur Sanitätsausbildung kommandiert würden, sondern
zu einer Infanterieeinheit. Wir mußten über eine Stunde auf dem Hof in
sengender Sonne warten, dann wurden wir in einen Raum geschickt, etwa acht
Quadratmeter groß, und durften uns dort auf den
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