Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
Vom Netzwerk:
Soldaten inzwischen mit
einem Holzgasbus durch die Abenddämmerung fuhr, erwies sich nicht als
Krankenhaus, sondern als ein Klassenraum im unteren Geschoß einer Volksschule —
im Grunde genommen nichts anderes als die Volksschule in Hesaka. Endlich fand
ich einen Platz in dem Gewühl und legte mich hin, konnte aber kaum noch
wahrnehmen, wo ich mich befand; ich fror fürchterlich und wurde vom Fieber
geschüttelt. Als die Nacht begann, stieg meine Temperatur noch mehr, und ich
konnte nicht mehr sprechen. Ich versuchte es, brachte aber nichts heraus.
    Ich entsinne mich dunkel, daß es in jener Nacht
einmal Fliegeralarm gab... Insgesamt habe ich dreimal in meinem Leben das Bewußtsein
verloren. Einmal unmittelbar nach dem Bombenabwurf, das zweite Mal passierte es
an dem Abend, an dem ich nach dem langen Gerüttel im Zug in Shobara in der
Volksschule landete, das dritte Mal, als ich beim Beginn der Strahlenkrankheit
zwischen Leben und Tod schwebte. Ein Invalide am Rande des Todes, nahm ich in
meinem halb bewußtlosen Zustand nicht wahr, was um mich herum vor sich ging,
und sehr oft erkannte ich nicht einmal deutlich die eigenen Krankheitssymptome.
    Am Morgen des 9. August ging das Fieber, das die
ganze Nacht über angehalten hatte, etwas zurück, und ich begann mich langsam
wieder für die Dinge um mich herum zu interessieren. Das Fieber war eine Art
Eiterungsfieber, wie es mit Septikämie einhergeht. An jenem Tage kam ein
Stabsarzt durch und gab einem Sanitätshelfer Anweisungen für unsere Behandlung.
Es war das erstemal seit dem Bombenabwurf, daß uns ein Arzt untersuchte. Aber
er benutzte nicht einmal sein Stethoskop.
    Meine Verletzungen bestanden fast ausschließlich
aus Verbrennungen am Kopf, im Gesicht, am Hals, an den Händen und Fingern und
sogar an den Ohrläppchen. Die Haut an den Handgelenken schälte sich; mein
Rücken, sagte man mir, war wie ein Stück rohes Fleisch, durch das man fast die
Rippen sehen konnte, verursacht, wie ich später erfuhr, durch eine momentane
Strahlung von mehreren tausend Grad. Die Bombe hatte tatsächlich eine Stärke
gehabt, die jedes menschliche Vorstellungsvermögen überstieg.
    Der Sanitätshelfer trug eine Flüssigkeit, die
Pikrinsäure ähnelte, auf meine Brandwunden auf und bedeckte die Stellen, die
beim Liegen den Fußboden berührten, mit einem Stück antiseptischem Mull. Das
war die ganze Behandlung, und er ging auch sofort weiter, um den nächsten
Patienten abzufertigen. Da sie es mit einem ganzen Zug voller Patienten zu tun
hatten, einigen hundert, konnte man sich praktisch auch nicht beschweren, wenn
die Behandlung schnell und grob vor sich ging.
    Am nächsten Tag, dem 10. August, als der
Sanitätshelfer den Mull von meinem Rücken zog, konnte ich mich nicht beherrschen
und schrie auf. Durch die Hitze, das Gewicht meines Körpers und die
Absonderungen der Wunde war alles festgeklebt. Er zog den Mull von unten nach
oben ab, und dabei ging ich durch den Schmerz unbewußt mit dem Körper in die
Höhe. Als ich in der Hocke saß , die Hände seitwärts
auf der Erde, konnte ich nicht mehr weiter. Es war das Äußerste an
Kraftanstrengung, ich sank wieder zurück und saß nun richtig. So löste sich die
Mullkompresse wohl oder übel.
    Ohne sich um das Blut, das aus den Wunden schoß,
zu kümmern, pinselte mir der Sanitäter den Rücken mit der Medizin ein, deckte
Mull drüber, trug dann die Flüssigkeit auch auf Kopf, Gesicht, Hals und
Oberarme, auf Handrücken, Handgelenke und Finger auf und ging sofort weiter zum
nächsten Patienten. Selbst ich, der ich mir einbildete, viel aushalten zu
können, war entsetzt über diese Behandlung. Auch hier starben die Patienten wie
die Fliegen und wurden einer nach dem anderen hinausgetragen. Mitglieder der
Frauenvereinigung für Nationale Verteidigung kümmerten sich um Schieber und
solche Dinge, aber auch sie schienen unter dem penetranten Geruch zu leiden.
    Nachmittags schreckte mich eine Stimme hoch, die
rief: „Achtung — bitte mal herhören! Ist hier ein Iwatake von der
Sanitätsreserve? Iwatake?“ Es folgte eine andere hohe Stimme, die Stimme einer
Frau: „Hiroshi! Hiroshi, bist du hier? Hiroshi!“ Es war meine Frau. Ich
versuchte zu antworten, aber meine Lippen waren zu geschwollen, als daß ich
etwas hätte herausbringen können. Unter großen Schmerzen gelang es mir, den linken
Arm ein Stückchen hochzuheben...
    Sie hatte mich in den Ruinen des Lazaretts in
Hiroshima gesucht und da gehört, daß ich nach Hesaka gekommen

Weitere Kostenlose Bücher