Schwarzer Regen
Stimmen von
Geistern sein können...
Was muß das nur für eine furchtbare Bombe
gewesen sein, dachte ich bei mir. Ein Vorübergehender, den ich ansprach,
bestätigte es mir — ja, das war eine „Bombe neuen Typs“, die sie abgeworfen
haben. Er kannte den Verbandplatz, zu dem man die von der Bombe verletzten
Soldaten vom Militärlazarett gebracht hatte; ich fragte ihn nach dem Weg, weil
ich fest entschlossen war, alles nur Mögliche zu versuchen. Es gab drei
Behelfslazarette, sagte er, aber ich war in solch einem Zustand, daß ich nur
den einen Namen behielt: Hesaka. Was für ein Zufall! Da ich schließlich nicht
alle auf einmal aufsuchen konnte, entschloß ich mich, zuerst nach Hesaka zu
gehen, dann meine Ohren offenzuhalten und auch die anderen ausfindig zu machen.
Also prägte ich mir nur den einen Namen ein. Hesaka lag ungefähr zehn Kilometer
von Hiroshima. Als ich endlich nach einem Fußmarsch in dem Dorf anlangte, war
es nur noch eine Stunde bis Mittag. Ich hielt mich den ganzen Weg am Ufer.
Unterwegs ging mir der Offizier nicht aus dem Kopf, dem ich im Zelt in den
Ruinen des Militärlazaretts begegnet war — warum hatte er mir nichts von den
Verbandplätzen gesagt?
In Hesaka ging ich der Reihe nach von einem
Bauernhof zum ändern. Als ich zur Volksschule kam, wo sich die Sammelstelle des
Behelfslazaretts befand, war es vier Uhr nachmittags. Die Zelte auf dem Hof,
die Klassenräume und auch die Flure waren voller Verwundeter, aber man sagte
mir, daß es noch keine vollständige Liste der Patienten gäbe. Ich ging durch
die Flure, Klassenräume und Zelte und rief: „Hiroshi! Hiroshi, bist du hier?“,
aber es kam keine Antwort. Dann sagte mir jemand, daß die weniger schwer
Verwundeten auf den umliegenden Bauernhöfen untergebracht seien; also machte
ich die Runde durch die Gehöfte.
Schließlich war ich völlig erschöpft. Ohne mich
zu genieren, rief ich den Leuten in einem Bauernhaus zu, ob ich mich bei ihnen
etwas ausruhen dürfte, und legte mich auf die angenehm kühlen Dielen der
Veranda. Das war ungefähr fünf Uhr nachmittags. Ich mußte gute zwei oder drei
Stunden geschlafen haben, dann ging ich zur Volksschule zurück. Diesmal war die
Liste mit den Verwundeten fertig, und ich erfuhr, daß Hiroshi am Tag vorher zur
Grundschule nach Shobara transportiert worden war. Ich fühlte mich sehr
erleichtert, als ich hörte, daß man nur die Leichtverwundeten weitergeschickt
hatte; aber dieses Gefühl der Erleichterung dauerte nur einen Moment an, denn
ein anderer, der sie gesehen hatte, meinte, sie hätten lebenden Leichnamen
geglichen.
Es schien unsinnig, aber ich glaubte, keine
Minute verlieren zu dürfen — ganz gleich, ob mein Mann nun leicht oder schwer
verwundet war. Zum Bahnhof Hesaka ging ich so schnell ich nur konnte. Ich
erreichte gerade noch den Zug, aber er war voll und fuhr sehr langsam; als wir
schließlich nach Shiomachi kamen, wo wir umsteigen mußten, fuhr kein Zug mehr
nach Shobara. Was sollte ich anderes tun, ich breitete eine Zeitung auf dem
Bahnsteig aus, setzte mich darauf und wartete auf den Morgen.
Ein Mann aus Fuchu, neben mir, redete viel;
während der Unterhaltung stellte sich heraus, daß er in Fuchu die Nebenstelle
der Hosokawa-Klinik kannte. Deshalb schrieb ich schnell eine Nachricht an
meinen Bruder und teilte ihm mit, ich befände mich auf dem Weg nach Shobara, er
solle alles Notwendige mitbringen — gab den Zettel dem Mann, der ihn in der
Klinik abgeben wollte. Wenigstens etwas, wofür man dankbar sein konnte! Das
Glück schien uns günstig, denn der Mann nahm einen Zug nach Fuchu auf der
Fukuen-Strecke (die Fukuen-Strecke war in Betrieb bis auf das Gebiet um
Fukuyama), während ich auf der Strecke nach Geibi weiter mußte. Shiomachi ist
der Knotenpunkt.
So konnten die Hosokawas benachrichtigt werden,
und mein Bruder, eine Krankenschwester und unsere Tochter, die mit uns zu den
Hosokawas evakuiert worden war, trafen am frühen Abend des gleichen Tages, am
elften August, bei meiner Tante in Shobara ein. Meine Tante selbst war nicht zu
Hause. Durch den Anruf des Mädchens, das mein Mann getroffen hatte, wußte sie,
daß man ihn nach Shobara transportiert hatte, und suchte seine Eltern auf, um
sie zu informieren. Ich war schon angekommen, ruhte mich aus und machte mich
ein wenig frisch. Ich ging direkt zum Krankenhaus — in Wirklichkeit das Gebäude
der Volksschule — , und als uns ein Feldwebel oder Hauptfeldwebel, der als
Sanitäter zu fungieren schien, die
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