Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
Vom Netzwerk:
wurde...“
    „Als ich voriges Jahr drüben war, hatte er
sieben oder acht lebendige Aale drin“, warf Shigeko ein.
    „Man weiß nie, was der Tonkrug gerade enthält.
Er ist eine Art Füllhorn. Vielleicht sollten wir es Kotaro nachmachen?“
    Shigematsu redete nur so daher, um etwas zu
sagen. Ihr Haus stand höher am Berg, und es war ganz unmöglich, durch Bambusrohren Wasser dorthin zu leiten, wie Kotaro es tat. Er
hatte an einem Bach, der auf der Rückseite des Berges herabfloß, einen Damm
gebaut und erhielt durch die Bambusrohren von dort
Wasser für seinen Tonkrug. Zufällig rieselte genau die richtige Menge Wasser
durch die Risse an den Flickstellen wieder aus dem Krug. Daher waren die
Bedingungen geradezu ideal, um Fische, wie Aale, Ayu, Forellen und anderes,
darin zu halten.
    Kotaro war zehn Jahre älter als Shigematsu.
Während des Krieges fuhr er überall herum, um etwas Zusätzliches für die
Versorgung der Nachbarschaft aufzustöbern. Auf seinen Hamsterfahrten war er
auch zweimal nach Hiroshima gekommen. Jedesmal hatte er Shigematsu besucht und
als Geschenk vom Lande eingesalzene Kirschblüten mitgebracht. Beim erstenmal
wollte er Schmalz und eine Emulsion, die man als Seifenersatz benutzen konnte,
kaufen. Diesen Seifenleim gab es nur auf dem schwarzen Markt. Er fiel nicht
unter die Anordnung über die Erfassung von Waschmitteln und wurde von einigen
Firmen unter Umgehung der Gesetze hergestellt. Es war eine klebrige
Flüssigkeit, die als Zwischenprodukt bei der Herstellung fester Seife entsteht.
Man bekam sie in Kanistern geliefert. Bei dem Schmalz handelte es sich um
abgeschnittene Fettstreifen von dem Fleisch, das im Heeresproviantdepot zu
Konserven verarbeitet wurde. Es war bereits ausgelassen, und man mußte etwa
zehn Sen für eine Pfund-Büchse bezahlen. Kotaro wickelte diese
Schwarzmarktwaren in Shigematsus Haus in ein extra großes Umschlagtuch und
schleppte sie dann den ganzen Weg zum Bahnhof auf dem Rücken. „Handelsreisen
liegen unserer Familie schon vom Großvater her“, sagte er immer. Als er zum
zweitenmal kam, hatte er nur etwas Schmalz in einem alten Kanister ergattern
können, aber er freute sich so darüber, daß er als Abschiedsgabe für Shigematsu
eine Vogelfalle auf einem freien Grundstück aufstellte, wo man Häuser
abgerissen hatte, um eine Brandschneise zu schaffen. An den folgenden Tagen war
Shigematsu immer wieder zur Falle gegangen, aber niemals hatte sich ein Vogel
darin verfangen. Ihm fiel auch ein, daß auf demselben wüsten Gelände seine Frau
off Gänsefußtriebe gepflückt hatte, die dann mit Sojasoße gekocht und gegessen
wurden.
    „Erinnerst du dich noch an die Falle, die Kotaro
uns in Hiroshima aufgestellt hatte? Was mag daraus geworden sein? Es war auf
dem Ödland, wo im Sommer immer so viel Gänsefuß wuchs.“
    „Doch, doch“, sagte Shigeko, „bloß, in Kotaros
Falle geriet nicht ein einziger Vogel. Wahrscheinlich hatte er sie nicht
richtig aufgestellt.“
    Shigematsu konnte sich noch entsinnen, wie
Kotaro vor sich hin gemurmelt hatte, als er an den Bambusspänen für die Falle
herumschnitzte: „So ein Mist, keiner hat mehr was Richtiges zu fressen. Selbst
im Heeresproviantdepot waren die Leute in der Kantine ganz aufgelöst, weil es
nicht genug Miso für die Suppe gab. Sie wüßten nicht mal einen Tag vorher,
erzählten sie mir, ob sie Bohnenmussuppe oder
,Salzwassersuppe’ kochen würden. Auch dort können sie sich keinen
Speisezettel machen.“ Damals hatte wirklich keiner mehr zu beißen als der
andere.
    „Hör mal, Shigeko!“ rief Shigematsu. „Mir kommt
da eine Idee! Du mußt etwas über unsere Mahlzeiten während des Krieges
schreiben. Ein Speisezettel für die ganze Woche wäre noch besser, aber du wirst
dich kaum noch an alle Einzelheiten erinnern können. Schreib einfach auf, was
dir einfällt, ja — gleich morgen, wenn’s geht.“
    „.Speisezettel“! Du bist gut! ‚Vogelmiere in
Sojasoße, wilder Porree mit Miso und Essig’ — viel mehr gibt’s da gar nicht zu
berichten, oder?“
    „Genau das meine ich doch; du sollst über den
gräßlichen Fraß schreiben, den wir essen mußten. ,Die unbeschreiblich magere Kost der Familie Shizuma während des Krieges’ kannst du
es ja nennen. Ich werde es dann in mein ,Tagebuch von
der Bombe’ einfügen. Warum hab ich nicht schon früher daran gedacht?“
    „Wenn dir was daran liegt, hab ich auch einen
Vorschlag“, entgegnete sie. „Wir könnten doch an jedem Jahrestag des
Bombenabwurfs

Weitere Kostenlose Bücher