Schwarzer Regen
auf ihn
einschlug, den er beiseite gestoßen hatte.
Ein Mann in mittleren Jahren, der einen alten
Mann auf dem Rücken schleppte.
Ein Mann, der ein junges Mädchen trug — ein
Invalide, müßte ich sagen, der seine Tochter auf dem Rücken trug.
Eine Frau mit ihrem Kind und ihren
Habseligkeiten auf einem Kinderwagen, die plötzlich in einer Menschenwoge
eingekeilt war, so daß der Wagen eingedrückt wurde und sie darauf stürzte,
wobei zwanzig oder dreißig andere hinter ihr ebenfalls übereinanderfielen. Die
Schreie in dem Augenblick muß man gehört haben, um sie zu glauben.
Ein Mann, der eine Uhr wie eine Opfergabe vor
sich her trug, die einen dumpfen, gebrochenen Klang von sich gab.
Ein Mann, der sich mit dem Stoffutteral einer
Angelrute einen Fischkorb auf den Rücken gebunden hatte.
Eine barfüßige Frau, die mit beiden Händen ihre
Augen abschirmte und beim Gehen hilflos schluchzte.
Ein älterer Mann, der eine Frau halb an der
Hüfte stützte, sie halb mitschleifte, deren Gesicht, Arme und Brust
blutüberströmt waren, deren Kopf bei jedem Schritt des Mannes schwer nach vorn
und zurück oder von einer Seite zur anderen fiel, die beide aussahen, als
könnte jeden Augenblick ihr Ende nahen und doch erbarmungslos in der Menge hin
und her gestoßen wurden.
Eine junge Frau, die fast nackt daherkam und
einen nackten Säugling mit fast völlig blutverkrustetem Gesicht auf den Rücken
gebunden hatte, aber nicht in der üblichen Weise, sondern so, daß das Kind nach
hinten blickte.
Ein Mann, dessen Beine sich so eifrig bewegten
wie bei einem Schnelläufer, der aber in der Menge festgekeilt war und daher
wenig mehr erreichte als ein rasches Taktschlagen...
Viertes Kapitel
Shigematsu war mit seiner Abschrift bis an
diesen Punkt gelangt, als Shigeko aus der Küche rief: „Shigematsu! Was meinst
du wohl, wie spät es ist? Mir wäre lieb, wenn du Feierabend machst und essen
kommst.“
„Schon gut! Ich komme.“
Er stand auf und ging in die Küche. Er hatte das
Abendessen bis jetzt aufgeschoben. Beim Abschreiben des Tagebuchs hatte er
eingesalzene Bohnen gekaut, um den Hunger zu unterdrücken. Shigeko und Yasuko
waren schon lange mit dem Abendbrot fertig. Und Yasuko, die am anderen Morgen
mit dem ersten Bus zum Friseur fahren wollte, lag schon im Bett. Shigeko schöpfte
Schmerlensuppe aus einer Kasserolle in seine Schale.
„Heute habe ich eine ganze Menge geschafft. Ich
habe alles abgeschrieben bis zu der Stelle, wo sich die Menschenmassen auf der
Flucht vor dem Wolkenpilz auf dem West-Exerzierplatz drängen, dabei aber nicht
einmal ein Tausendstel von dem aufs Papier gebracht, was ich damals wirklich
gesehen habe. Ist gar nicht so einfach, etwas niederzuschreiben.“
„Ich denke mir, es liegt daran, daß du auch noch
deine eigenen Theorien hineinarbeitest.“
„Das hat nichts mit Theorien zu tun. Literarisch
gesehen ist mein Geschreibe gröbster Naturalismus... Du, sag mal, waren diese
Schmerlen auch lange genug in klarem Wasser, damit sie den modrigen Geschmack
verlieren?“
„Kotaro brachte sie uns vor einer Weile. Er
behauptete, er habe sie über vierzehn Tage in klarem Wasser gehalten. Er hat
sie im Graben hinter dem Tempel gefangen und dann in fließendem Wasser in
seinem Fünfhundert-Liter-Krug auf bewahrt.“
Während des Krieges hatte Kotaros Familie den
großen Gingkobaum neben ihrem Haus als Kriegsspende geopfert. Als sie den
Baumstumpf rodeten, gruben sie den Krug aus, ein riesiges Exemplar aus
Bizen-Steingut, wie er früher zum Aufbewahren der Reisvorräte benutzt wurde. Er
war in mehrere Teile zerbrochen, konnte aber mit reichlich Zement wieder
zusammengeflickt werden.
Shigematsu setzte sich vor den kleinen Tisch,
der für ihn gedeckt war, und ergriff eine plumpe Steingutschale mit einer
bräunlichen Flüssigkeit. Diesen Trunk nahm er regelmäßig vor dem Essen; es war
ein Aufguß aus getrockneter Geranie, Vogelmiere, Wegerich und anderen Pflanzen.
Die Speisen auf seinem Tisch bestanden aus Miso mit gehackten Kleewurzeln,
einem Eiergericht, eingelegtem Rettich und einer Suppe aus Böhnenmus mit den
Schmerlenstücken.
„Das ist ja ein Festessen!“ sagte er, als er den
Deckel von der Suppenschüssel hob. „Dieser Tonkrug vom alten Kotaro steht doch
wirklich niemals leer. Als ich einmal hineingesehen habe, war er zwar trocken,
aber der Boden mit Sand aus dem Flußbett bedeckt, und Kotaro versuchte, Schildkröteneier
auszubrüten. Ich glaube nicht, daß jemals was draus
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