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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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Reis und Gerste durch Sojabohnen ersetzt wurde.
Und dann fing man an, ausländischen Reis zu verteilen, aber noch schlimmer
waren diese entsetzlichen ausgepreßten Sojabohnen. Die Zuteilungsmenge wurde
immer weiter herabgesetzt, am Ende betrug die Tagesration etwa 2,7 oder 2,8 Go
von diesen Bohnen. Der Zuteilungsreis war brauner, ungeschälter Reis, der
unangenehm schmeckte; wir taten ihn deshalb in eine Flasche und stampften ihn
mit einem Stock, damit er weiß wurde. Dieses Reisschälen am Abend machte uns
zusätzliche Arbeit, und wir schimpften ständig darüber. Der geschälte Reis
verlor an Gewicht. Selbst als die Ration 3,1 Go pro Kopf betrug, hatte man dann
nur ein bißchen über 2,5 Go.
    Damals erhielt Frau Miyaji eine Vorladung zu
einem offiziellen Gespräch. Sie hatte bei einer Hamsterfahrt aufs Land zu einem
Mitreisenden im Zug nach Kabe gesagt: „Wo die Reiszuteilung jetzt auf drei Go
runtergegangen ist, hat man auch den Text im Lesebuch, das unser Junge in der
Schule benutzt, geändert.“ Eine Verszeile hatte wohl geheißen „Und jedem vier
Go ungeschälten Reis am Tag!“ und war dann in „Und jedem drei Go ungeschälten
Reis am Tag!“ geändert worden, damit es mit der Wirklichkeit übereinstimmte.
Wie sie mir später erzählte, gehört das Gedicht zu den bekanntesten Werken des
Dichters Kenji Miyazawa, es ist eine Dichtung von strenger Schönheit, in der
die Mühsal des Bauernlebens eindrucksvoll geschildert wird. „ ,Vier Go Reis am Tag’ in ,drei Go’ zu ändern, heißt sich an der Bildung versündigen“,
sagte Frau Miyaji. „Was soll denn werden, wenn das Kind davon erfährt. Ich
würde mich nicht wundern, wenn ihm dann Zweifel an der japanischen Geschichte
kommen, die in der Schule gelehrt wird. Es wäre ganz was anderes, wenn Kenji
Miyazawa wieder lebendig würde und das Gedicht selbst umschriebe...“
    Jedenfalls stand fest, daß das Schulbuch im
Auftrag der Regierung zusammengestellt war und den politischen Grundsätzen des
Staates entsprach. Man schien ihr auf der Behörde klargemacht zu haben, sie
solle gefälligst „ihr unverantwortliches Gerede“ lassen. „Wir wissen ganz
genau, daß Sie auf einer Hamsterfahrt waren“, sagte man ihr. „Solche Leute
haben schon gar kein Recht, impertinente Bemerkungen über Schulbücher zu machen.
Unverantwortliches Gerede in Kriegszeiten ist ein Vergehen, das nicht einfach
in den Bereich der bürgerlichen Gesetze oder des Strafgesetzbuches fällt.“ Das
hörte sich fast an, als wollten sie sagen, es läge ein Verstoß gegen das Gesetz
über die Allgemeine Mobilmachung vor, was natürlich ein Staatsverbrechen war.
Damals überlegte sich jeder genau, was er zu anderen sagte.
    In unserer Familie erhielten mein Mann und
Yasuko ihr Mittagessen im Betrieb. Sie kauften sich ihre Mahlzeit dort, ohne
etwas von ihren eigenen Rationen mitzunehmen. Dadurch sparten wir zwei Essen am
Tag. Ich selbst kam mit Kartoffeln zu Mittag aus, so daß wir zusammengenommen
drei Mahlzeiten am Tage auslassen konnten, und das machte es doch etwas
einfacher. Dann hatten wir eine Quelle für Buchweizennudeln, die es eigentlich
auf Karten, manchmal aber auch schwarz gab; ich glaube, wir konnten alles in
allem über drei oder vier Go Reis oder Gerste zusätzlich verfügen. Außerdem gab
es manchmal eine Zuteilung von sehr minderwertigem Knäckebrot, etwa dreißig bis
vierzig Gramm pro Haushalt, und ein paarmal im Monat ein Bündel Nudeln pro
Kopf, dann wurde aber die Reisration entsprechend gekürzt. Mitunter war der
Zuteilungsreis auch mit Sojabohnen vermischt. Kochte man aber den Reis wie
üblich und ließ die Bohnen drin, dann verdarb das den Geschmack; wir lasen also
die Bohnen heraus — mehr als ein Go — und weichten sie über Nacht ein. Am
nächsten Morgen zerstampften wir sie, seihten die Flüssigkeit durch ein
Baumwolltuch und verbrauchten sie für Bohnenmussuppe oder Sojasoße und
dergleichen. Manchmal tranken wir auch einfach den gesüßten Saft. Gelegentlich
kochten wir auch die Reste der Sojabohnen in Sojasoße und aßen sie zu unserem
Reis oder Reisersatz.
    Mit dem Brot, das es anstelle von Reis gab, ließen
sich die Rationen ganz gut strecken. Wir rösteten es und aßen Miso dazu, oder
wir bestrichen es zuerst mit Miso und rösteten es dann. Wenn wir Brot hatten,
merkten wir jedesmal, wie sehr uns Butter fehlte oder Corned beef. Wir
begriffen allmählich, daß anstelle der traditionellen Gewürze des Ostens Miso
wenigstens weit nahrhafter als Salz oder

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