Schwarzer Regen
mir schweigend. Unser
Haus stand nicht mehr. Jenseits der sich träge wälzenden Qualmwolken erkannte
man in der Ferne einen Hain aus Kampferbäumen, die grün und glänzend leuchteten
wie immer. Das einzige im Vordergrund zwischen uns und dem Hain war eine Weide,
die so etwas wie schwarze Nadeln über das Flußufer hängen ließ. Immer wieder
drehte ich mich nach der Stelle um, wo unser Haus gestanden hatte, bestimmt
sieben- oder achtmal. Auf den Beeten in den Gemüsegärten war alles von der
Hitze versengt und hing verdorrt und leblos herab. Ein halbverkohlter
Telefonmast in einer Ecke des Feldes qualmte und brannte mit einer Flamme von
etwa dreißig Zentimeter Höhe, so daß es aussah, als habe jemand dort eine
riesige Kerze aufgestellt. Hin und wieder, wenn ein heißer Windstoß aufsprang,
gab die Flamme einen schwachen Summton von sich, und das rauchgeschwärzte
Balkenwerk auf den ausgebrannten Ruinen unseres Hauses glühte plötzlich rot
auf. Rauch quoll empor, wurde aber sofort vom Wind weggeweht.
„Tante Shigeko, wo werden wir heut nacht
schlafen?“ fragte Yasuko.
Shigeko gab keine Antwort.
„Die einzige Möglichkeit ist, zum Werk zu
gehen“, sagte ich. „Wenn wir dort nicht hinkommen, müssen wir die Nacht
irgendwo am Flußufer zubringen. Eine andere Lösung sehe ich nicht.“
Wir gingen über das Feld auf das Flußufer zu.
Dann liefen wir flußaufwärts und kamen an das Gelände der Grundschule von
Senda. Dort lag ein Pferd am Ufer und hatte die Beine von sich gestreckt. Von
Zeit zu Zeit wölbte sich sein geschwärzter unnatürlich großer Bauch und fiel
wieder zusammen. Es atmete — kurze, scharfe Züge, wie um zu zeigen, daß es noch
am Leben war, wenn auch nur noch gerade so. Auf dem Schulgelände fanden wir
einen Feuerlöscheimer mit Wasser, wir tauchten unsere Handtücher ein, um damit
Nase und Mund zu bedecken, wenn die Qualmwolken uns entgegen wehten.
Ich überlegte mir den kürzesten Weg zur Firma in
Furuichi und ging voran auf die Hauptstraße zu, die von der Hijiyama-Brücke zur
Sagino-Brücke führt. Jedesmal, wenn der Wind den Rauch auseinandertrieb, sah
man die Ruinen der großen modernen Geschäftshäuser. Rauch quoll auf der einen
Seite aus allen Fenstern, und wenn der Wind umsprang, schwebte der Qualm träge
auch aus den Fensterhöhlen auf der anderen Seite. An manchen Betongebäuden
baumelten die Fensterrahmen herum, und andere brannten noch und spieen Rauch
aus. Fegte ein starker Windstoß daher, wurde der Qualm dünner, und die Straße
mit den schemenhaften Gestalten, die hin und her liefen, kam zum Vorschein.
Einen Augenblick lang konnten wir weit in die Ferne sehen, im nächsten Moment
hüllte uns der Qualm wieder ein, und wir mußten uns die Handtücher vor Mund und
Nase halten. Wir hatten noch keine fünfhundert Meter zurückgelegt, da waren
unsere Tücher schon trocken.
Wenn der Rauch uns völlig umgab, war es zu
gefährlich weiterzugehen. Man konnte in die glühend heißen Aschehaufen treten,
die auf der Erde lagen, und sich schwer verbrennen. „Bleibt stehen, ihr
verletzt euch!“ rief ich dann, hielt an und winkte den anderen, ebenfalls
stehenzubleiben. Wir warteten, bis sich der Rauch zerteilte, und gingen schnell
weiter, sobald wir den Weg vor uns sehen konnten. Möglicherweise standen wir
mehr, als wir liefen.
Einmal stolperte Yasuko und fiel nach vorn,
wobei sie aufschrie: „Onkel!“ Als sich der Qualm wieder verzog, sahen wir, daß
das Hindernis eine Leiche war, mit einem toten Baby im Arm. Von da an ging ich
immer voran und gab auf alle dunklen Gegenstände, die auf dem Weg lagen,
sorgsam acht. Dennoch stolperten wir noch so manches Mal über Tote und fielen
vornüber, wobei wir mit den Händen in den heißen Asphalt einsanken. Einmal blieb
ich mit dem Schuh an einer halbverbrannten Leiche hängen, deren Fuß- und
Schenkelknochen verstreut herumlagen. Mir entfuhr ein Schrei, und wie vor
Schreck versteinert, blieb ich stehen. Oft klebte der durch die Hitze
aufgeweichte Asphalt an unseren Schuhsohlen, so daß man nur schwer vorankam. Es
gab Dutzende solcher Stellen. Sosehr ich auch die Schnürsenkel festband, immer
wieder verlor ich die Schuhe, und — zum Verrücktwerden unter solchen Umständen —
man mußte kostbare Zeit damit zubringen, sie immer wieder anzuziehen.
Der Wind ließ allmählich nach, und der Rauch
hörte auf, sich zu bewegen, dadurch wurde das Atmen immer schwerer. Es war doch
wohl etwas tollkühn von mir, meine Frau und meine Nichte in
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