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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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sie sollten zum Fluß gehen, alle
Sachen ausziehen und sie waschen und dann so lange baden, bis alles getrocknet
war. Sie nahmen ihre Handtücher und gingen los.
    Die Anspannung, in der ich bisher gelebt hatte,
mußte nachgelassen haben, denn plötzlich litt ich fürchterlich unter der Hitze,
und wenn ich saß, überfiel mich eine unwiderstehliche Müdigkeit. Doch sowie ich
mich hinlegte und die Augen schloß, vertrieb die Erinnerung an die zahllosen
Rauchsäulen, die vom Uferstreifen und aus den Bergen aufstiegen, den Schlaf. Ob
ich umherging oder ob ich lag, ständig war ich schweißgebadet. Dabei konnte ich
immer nur die rechte Gesichtshälfte abwischen. Ich hatte das Gefühl, als würde
mir auf die linke Hälfte mit dem Verband ein heißes Handtuch gepreßt wie beim
Friseur. Es war nur viel schlimmer, und ich vermutete, daß sich Schweiß oder
Eiter unter dem Mull gesammelt hatten. Ich konnte nur leicht auf den Verband
drücken, damit er Schweiß oder Eiter aufsaugte. Immerzu tupfte ich darauf, bis
der Mull feucht wurde. Ich mußte den Verband wechseln, hatte aber keine Binden
mehr. Deshalb nahm ich das Dreiecktuch aus dem Verbandspäckchen, schnitt es
passend zurecht, goß kochendes Wasser darüber und legte es in die Sonne zum
Trocknen.
    Ich lehnte mich gegen einen Pfosten auf der
Veranda, weil ich ganz benommen war, als Tanaka, ein Angestellter aus der
Verwaltung, hereintrat und mir meldete, eine Gruppe Soldaten sei dagewesen, um
Proviant abzuholen.
    „Da haben Sie ja was Schönes angestellt! Wann
haben Sie denn das Zeug herausgegeben?“
    „Vor ‘ner Weile — vielleicht vor einer Stunde.“
    „Was waren das für Soldaten, und wohin sind sie
damit gefahren?“
    „Das waren Infanteristen, ich nahm an, sie
gehören zum Zweiten Westjapan-Korps, und habe ihnen gegeben, was sie wollten.“
    Wir hatten Lebensmittel für das Nachrichtenkorps
und das Zweite Westjapan-Korps eingelagert. Vor zwei Wochen war spätabends
Hauptmann Nozu, der uns gegenüber in Senda-machi wohnte, ganz außer Atem
erschienen und hatte mich gebeten, eine Ladung Lebensmittel für ihn zu
übernehmen. Auf meine Frage antwortete er, sie hätten einen Anruf vom
Divisionsstab erhalten. Die Lage hätte sich so zugespitzt, daß Hiroshima jeden
Tag bombardiert werden könnte, und deshalb müßten die Armeebestände sofort
weggeschafft werden. Hauptmann Nozu, der auch nur Reservist war, hatte von
Armeebelangen außerhalb seiner Kaserne keine Ahnung, er bat mich dringend, ihm
zu helfen. Ich rief Herrn Fujita im Betrieb an, ehe ich die Ladung übernahm,
die dann noch in derselben Nacht in den Lagerschuppen des Betriebes gebracht
wurde. Am nächsten Morgen kam Leutnant Ko-kubu vom Zweiten Westjapan-Korps zu
mir und wollte ebenfalls Proviant in der Fabrik einlagern. Es wäre ganz
dringend, und sie wüßten nicht, wohin sie die Sachen schaffen sollten, daher
hätten sie Hauptmann Nozu vom Nachrichtenkorps gefragt, und so sei er
schließlich bei mir gelandet. Ich setzte mich mit der Betriebsleitung in
Verbindung und stimmte dann zu. Aber sie brachten so viel, daß der Schuppen
nicht alles faßte, so mußte ich einen Tatami-Hersteller aus der Umgebung,
Tauchi mit Namen, bitten, eine Ladung Reis in Säcken aus Strohgewebe zu
übernehmen. Der Restposten von diesem Reis befand sich in unserem Lagerraum,
und gerade den hatten die Soldaten weggeholt.
    Die Geschichte war sehr verdächtig. Sie hatten
erklärt, Leutnant Kokubu sei beim Angriff verwundet worden. Aber jeder, der vom
Zweiten Westjapan-Korps kam, um Proviant abzuholen, hätte doch wenigstens einen
Auftrag oder dergleichen vorzeigen müssen. Wir mußten uns jedenfalls damit
abfinden, daß uns Schufte hereingelegt hatten, die sich das allgemeine Chaos
zunutze machten. Es war zu spät, etwas dagegen zu unternehmen.
    Ich gab Tanaka eine strenge Verwarnung. Von
jetzt an, sagte ich, dürfte unter keinen Umständen auch nur der kleinste Krümel
an jemand anders herausgegeben werden als an Leutnant Kokubu oder seinen
Vertreter, der aber die Karte des Leutnants vorzeigen müßte. Unter dieser
Bedingung waren wir überhaupt nur bereit gewesen, die Vorräte einzulagern. Die
Sache wurde noch kompliziert, weil man uns alle Verwaltungsarbeit für die
Einlagerung der Lebensmittel aus der Hand genommen hatte. Das Nachrichtenkorps
benutzte ein kleines, japanisch eingerichtetes Zimmer im zweiten Stock unseres
Bürogebäudes als Schreibstube ihres Proviantmeisters.
    Ich ging in die Lagerhalle und stellte fest,

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