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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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Reichtum gewesen sein. Wie dem auch sei, man mußte es wohl ihrem
Sohn zustellen, aber da ihre Wohnung in Kako-cho abgebrannt war, mußten wir
irgendwie versuchen, ihn auf der Schule in der Nähe von Yanai in der Präfektur
Yamaguchi zu benachrichtigen.
    „Sagen Sie mal, Frau Ariki“, fragte der Geschäftsführer,
„eine Schule in der Nähe von Yanai, das muß doch die Stelle sein, wo die
menschlichen Torpedos ausgebildet werden, meinen Sie nicht? Eine streng geheime
militärische Einrichtung, soviel ich weiß. Wie heißt doch die Kaserne da...?“
    „Kann ich wirklich nicht sagen, Herr Fujita“,
erwiderte sie unsicher. „Die Muschelverkäuferin hat immer gesagt, es sei ein
militärisches Geheimnis. Sie hat lediglich verraten, daß es eine Sonderschule
ist. Aber es stimmt, wenn man mit dem Zug vorbeifährt, müssen auf der Seite
alle Fenster zugezogen werden — strengste Sicherheitsvorkehrungen.“
    „Schöne Sicherheit, das!“ warf der Koch, ein
kahl werdender Mann in mittleren Jahren, ein. „Wo doch die Fenster in den Toiletten
alle sperrangelweit offenstehen! All das Gerede über Sicherheit ist doch bloß
Bluff, theoretischer Quatsch, ohne daß wirklich was getan wird...“
    „Jedenfalls ist der Sohn der Schwarzmarktfrau
dabei, ein menschlicher Torpedo zu werden“, sagte der Geschäftsführer zu Frau
Ariki, wobei er die letzten Bemerkungen überhörte. „Das bedeutet doch
wenigstens, daß der Junge großen Mut hat und ein starkes Pflichtgefühl
gegenüber seinem Vaterland. Wenn die Mutter eines solchen Mannes sich gerade
unsere Fabrik zum Sterben aussucht, dann müssen wir sie mit allen dazugehörigen
Riten bestatten. Und unser Shizuma wird die Andacht abhalten. Nicht wahr, Frau
Ariki?“
    „Aber natürlich, Herr Fujita, gewiß. Das ist
wirklich sehr freundlich von Ihnen, Herr Fujita. Und, Herr Shizuma, Sie werden
doch die Gebete für sie sprechen, nicht?“
    Frau Ariki war der Frau mit den Muscheln
offensichtlich sehr zugetan gewesen. Sie erzählte mir — wahrscheinlich, damit
ich die Sutras besonders sorgsam vortrug — , sie selbst habe einen Stich in den
„Tausend-Stiche-Gürtel“ gestickt, den die Frauen für den Sohn der
Muschelverkäuferin angefertigt hatten, als er in die „Schule“ eintrat. Sie
hatte, wie die anderen, ihren Namen „Kane Ariki“ in ihrer ungeübten Handschrift
auf eine Flagge mit der aufgehenden Sonne gemalt, um ihm Glück in der Schlacht
zu wünschen.
    Dann hieß es, alles sei fertig für die Andacht,
und obwohl ich noch überall vor Schweiß klebte, zog ich die geborgte Jacke an
und ging zum großen Raum beim Schlafsaal. Die Tote lag auf einem Brett,
Gesicht, Arme und Beine mit Tüchern umwickelt, daß sie wie Stoffbündel
aussahen. Ich nahm meinen Platz vor ihr ein, aber mein Hals war wie
zugeschnürt, und ich konnte die Stimme nur mühsam beherrschen. Vielleicht weil
ich die ganze Strecke bei sengender Sonne gegangen war und seitdem nichts
getrunken hatte. Oder es lag auch an den Bruchstücken aus der Lebensgeschichte
der Verstorbenen, die ich gehört hatte. Sollte die Frau, die tot hier lag — fragte
ich mich immerzu — , nichts unternommen haben, um
ihren Sohn davon abzuhalten, sich freiwillig zur Ausbildung zum menschlichen
Torpedo zu melden? Der Krieg, dachte ich, lähmt die Urteilskraft der Menschen.
Vom ersten bis zum letzten Wort konnte ich die „Dreifache Zuflucht“ nur ganz
heiser herausbringen, und die „Schrift über die Vergänglichkeit“ war nur noch
ein schwaches Flüstern. Trotzdem, als ich am Ende meinen Platz verließ, kam
Frau Ariki, die Hauptleidtragende, da es keinen anderen gab, zu mir und sagte
mit tiefbewegter Stimme: „Vielen, vielen Dank, Herr Shizuma!“
    Ich ging zum Waschraum, trank Wasser und rieb
mich mit einem feuchten Tuch ab. Die verbrannte linke Wange konnte ich nicht
abwischen, sie war noch mit dem Verband bedeckt. Ich hatte das Gefühl, als
klebte der Stoff fest auf der Wunde. Da ich, seit ich die Verwundung erhalten
hatte, nicht den mindesten Schmerz spürte, hatte ich sie in Ruhe gelassen, aber
jetzt beschloß ich, die Wunde neu zu verbinden und den Schweiß abzuwischen. Ich
holte mein Verbandszeug und stellte mich vor den Spiegel. Zuerst zog ich die
Leukoplaststreifen ab, die den Verband hielten, und nahm dann vorsichtig den
Mull herunter. Die versengten Wimpern waren zu schwarzen Klümpchen geworden,
wie die Kügelchen, die beim Verbrennen eines Wollfadens übrigbleiben. Die ganze
linke Wange sah

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