Schwarzer Regen
schwärzlich-purpurfarben aus, die verbrannte Haut war auf dem
Fleisch zusammengeschrumpft, ohne sich davon zu lösen, und formte Wülste quer
über die Wange. Der linke Nasenflügel hatte sich infiziert, und frischer Eiter
schien oben unter der angetrockneten Kruste hervorzukommen. Ich wandte die
linke Seite des Gesichts dem Spiegel zu. Konnte das mein Gesicht sein? Mein
Herz schlug heftiger bei diesem Gedanken, und das Gesicht im Spiegel kam mir
immer fremder vor. Ich nahm ein aufgerolltes Stückchen Haut zwischen die
Fingernägel und zupfte leicht daran. Es tat ein bißchen weh, was mir wenigstens
bestätigte, daß das mein Gesicht war. Ich grübelte darüber nach und rupfte ein
Stückchen Haut nach dem anderen ab. Dabei empfand ich ein seltsames Vergnügen,
als wackelte ein Zahn, der heraus müßte, und man würde den damit verbundenen
Schmerz gleichzeitig fürchten und herbeisehnen. So zog ich die ganze
zusammengeschrumpfte Haut ab. Schließlich faßte ich den eingetrockneten
Eiterklumpen an der Nase und riß daran. Er löste sich zuerst oben und ging dann
plötzlich ganz ab. Flüssiger gelber Eiter tropfte mir aufs Handgelenk. Es ließ
sich nicht sagen, ob sich die Entzündung verschlimmerte oder besserte. Ich
konnte die Wunde nur säubern, Wundpuder darauf streuen, die ganze linke Wange
mit Mull bedecken und den Verband mit Leukoplast befestigen. Den Wundpuder
hatte ich mir selbst hergestellt, nach einer Rezeptur von einem Tischler aus
unserem Heimatdorf. Er bestand vor allem aus Lauchblättern und sollte besonders
bei Schnittwunden und Entzündungen helfen.
Es ging auf Mittag zu. Ich wollte zu unserer
provisorischen Wohnung gehen, um etwas zu essen, als ich aber den Hügel
hinaufstieg, wurde der Schmerz in meinem Bein so stark, daß ich mich nur
schwankend und mit größter Mühe bewegen konnte. Auf dem Hang blieb ich stehen,
um mich auszuruhen. Da erblickte ich meine Frau, die mir von oben zuschaute.
„Mit deinem Bein geht’s wohl schlecht?“ sagte sie. „Soll ich dir einen Stock
oder so was bringen?“ Sie ging fort und kam mit einem dieser Bambusspeere
zurück, mit denen die Leute den Nahkampf übten. Die Wirtin hätte ihr den Stock
erst vor einer Weile zurechtgeschnitzt. Auf den Speer gestützt und einen Arm um
die Schulter meiner Frau gelegt, stieg ich den Hügel hinauf und kam mir vor wie
ein geschlagener Überlebender aus einem der Bauernaufstände des vorigen
Jahrhunderts. Dabei bemerkte ich überhaupt erst, daß Shigekos Haare versengt
waren. Ich fragte sie, wann das passiert sei; sie vermutete, beim Angriff am
Sechsten.
Als Mittagessen hatten wir gedörrten Reis aus
unserer eisernen Ration, dazu Miso, in Rapsöl gebraten, und Tee aus
eingesalzenen Kirschblüten. Das war alles, aber es erschien uns damals als
lukullisches Mahl.
Wie Shigeko mir erzählte, hatte auch sie erst
heute früh bemerkt, daß ihre Haare angesengt waren. Am Morgen des Sechsten
hätte sie die Entwarnung gehört, da aber in der Ferne immer noch Detonationen
dröhnten, hätte sie aus dem Küchenfenster zum Himmel geschaut. In dem
Augenblick zuckte ein greller Blitz, und ehe sie wußte, was sie tat, warf sie
sich flach auf die Dielen. (In dem Moment mußte wohl ihr Haar versengt worden
sein.) Nach einer Weile erhob sie sich, in der Küche war alles verstreut und in
Unordnung. Sie ging hinters Haus und sah die umgestürzte Ziegelmauer. Irgendwo
schien auch ein Brand ausgebrochen zu sein. Sie fühlte, daß sich etwas
Schreckliches ereignet hatte, und rannte nach oben, um eine bessere Aussicht zu
haben. Die Fensterscheiben waren herausgefegt, die Schiebetüren hingen alle
schief, und aus den oberen Ästen der Kiefer im Garten und dem Transformator auf
dem Telegrafenmast daneben züngelten Flammen. In der Nähe des Rathauses stieg
eine ungeheure Qualmwolke auf. Hier und da waren auch andere kleine Rauchwolken
zu sehen. Das Feuer breitete sich anscheinend aus. Sie mußte das Haus
verlassen, überlegte sie. Als erstes wollte sie den Seidenbeutel mit den
Ahnentafeln holen, aber er hing nicht mehr wie üblich am Pfeiler. Auch am
Stützpfosten im Nebenraum fand sie ihn nicht. Sie gab es auf, danach zu suchen,
und kümmerte sich um andere Dinge. Sie trug Schalen und Schüsseln, Bettzeug,
Moskitonetz, Schuhe und so weiter in den Garten, um die Sachen vorsichtshalber
im Teich zu versenken. Da schwamm auf dem Teich der weiße Beutel mit den
Ahnentafeln. Er mußte aus dem Haus hierhergeschleudert worden sein. Sie fischte
ihn heraus und
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