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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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gefühllos war, und es brachte mich in Verwirrung; die
Bekanntmachungen mußten doch an verschiedenen Stellen in den Ruinen schon vor
zwei, drei Tagen angeschlagen worden sein. Warum waren sie mir bisher bloß
nirgends aufgefallen?
    Der Hauptfeldwebel und seine Begleiter trotteten
in verbissenem Schweigen weiter. Jeder von uns vieren schritt vor sich hin,
ohne ein Wort zu sagen. Wir hatten den Eingang zum Lazarett beim Fernmeldeamt
erreicht, als Rikuo schließlich mehr zu sich selbst murmelte: „Schönes Bad,
was, zur Hälfte aus Meerwasser und zur Hälfte aus Süßwasser.“
    Das Lazarett bestand fast nur noch aus der
äußeren Hülle eines ehemaligen Stahlbetonbaus, aber allem Anschein nach quoll
es über von Patienten. Leute in weißen Kitteln eilten geschäftig durch die
Korridore, und Verwundete wankten mit unsicheren Schritten umher. Eine Frau,
die wohl den Verstand verloren hatte, stand auf den Steinstufen und rief etwas
Unverständliches. Neben ihr Leute vom Lande, die nach Vermißten suchten.
Ta-motsu ließ mich am Eingang warten und verschwand mit den beiden anderen in
einem Raum, der als Aufnahme diente. Nach einer Weile kam er heraus und sagte:
„Wir werden die Stationen absuchen. Du mußt hierbleiben, weil du nicht zum
Bergungstrupp gehörst. Wir werden hier bestimmt ein paar Männer aus Kobatake
finden.“ Und dann ging er mit Rikuo und Masaru den Korridor hinunter. Die
Geisteskranke schrie ihnen etwas nach, als wollte sie sie verfluchen.
    Neben der Steintreppe am Eingang saßen zwei
Frauen, die sich lebhaft unterhielten. Sie sahen nicht wie Verwundete aus. Sie
mochten etwa vierzig Jahre alt sein, trugen grobe Blusen, weite Baumwollhosen
und hohe Gummistiefel. Aus ihrem Gespräch ging hervor, daß die eine die Frau
eines Verwundeten im Lazarett war und die andere seine jüngere Schwester. Beide
waren ziemlich erregt. Eine sowjetische Armee, erzählten sie, hätte die Grenze
von Mandschukuo überschritten und strömte in großen Wellen ins Land. Die
japanische Armee in Mandschukuo hätte deshalb beschlossen, gegen sie eine Bombe
einzusetzen, ähnlich jener, die die B-29 auf Hiroshima geworfen hätte. Die
Armee schien auch gewillt, Inseln im Pazifik, die von amerikanischen Truppen
besetzt waren, mit diesen Bomben zu belegen, als Vergeltung für den Angriff auf
Hiroshima. Die Bomben würden gerade unter strengster Geheimhaltung auf einer
Insel vor Takehara produziert. Man müsse dem Feind klarmachen, daß Japan über
eine mächtige Flotte und eine gewaltige Armee verfüge...
    Ihre Unterhaltung bestätigte mir, daß die
Sowjetunion in den Krieg eingegriffen hatte, und ich erfuhr auch, wie es im
Lazarett aussah. Als sich die Explosion ereignete, war der Lazarettkommandant,
Dr. Michihiko Hachiya, von Glasscherben und Splittern an unzähligen Stellen
getroffen, gewissermaßen regelrecht zerfetzt worden. Von da an hatte er die
Notstandsmaßnahmen des Lazaretts von seinem Bett auf der Station aus dirigiert.
Die Symptome der Patienten und auch des Kommandanten waren überall gleich:
Appetitlosigkeit, Erbrechen und Durchfall, oft mit blutigem Stuhl. Der
Kommandant hatte daraus geschlossen, daß die Bombe entweder Giftgas oder
Ruhrbazillen enthalten mußte. Dementsprechend hatte er die Internisten
angewiesen, Maßnahmen wie bei einer Epidemie zu ergreifen, und Dr. Koyama, den
Chefarzt, beauftragt, in aller Eile eine Isolierstation einzurichten.
    Dr. Koyama, der sehr tatkräftig und wendig war,
kam bald darauf, daß es in der zerstörten Stadt nur eine Kraft gab, die
überhaupt wirksame Maßnahmen einleiten konnte, nämlich die Armee. So hatte er
mit dem Offizier beraten, der die im Fernmeldeamt nebenan stationierten Truppen
befehligte. Und es war beschlossen worden, daß die Soldaten am Südflügel des
Lazaretts eine Isolierstation bauen sollten. Diese Arbeit ging auch zügig
voran. Es gab nur einen Nachteil: Wesentliche militärische Einrichtungen, wie
das Hauptquartier der Westjapan-Armee, der Zweiten Heeresgruppe Westjapan, die
Kadettenanstalt, die Divisionsstäbe und die Pioniere, hatten in der Umgebung
des Lazaretts gelegen. Sie waren zwar alle durch die Bombe vernichtet, aber
dennoch würde gerade dieser Abschnitt das Hauptschlachtfeld des ganzen Gebiets
werden, wenn der Feind eine Landung unternahm. Deshalb gerieten viele Patienten
auch jedesmal in Erregung, wenn Fliegeralarm gegeben wurde, und schrien:
„Flieger!“ und „Volle Deckung!“
    Ich saß fast eine Stunde auf der Treppe.
Schließlich kam es

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