Schwarzer Regen
Gesicht. Sein Sohn Minoru war Seeoffizier auf einem Kriegsschiff
irgendwo auf dem Ozean. Seine Gattin, eine gebildete, kluge Frau, und seine
beiden attraktiven Töchter in heiratsfähigem Alter waren außerordentlich
gutherzig und erhoben nie den leisesten Einwand, weder den Leuten vom
Bergungstrupp noch den Verwundeten gegenüber.
Der Bergungstrupp hatte das Haus beim
Vorübergehen bemerkt, und weil es ziemlich geräumig aussah, hatten sie einfach
gefragt, ohne eine Empfehlung zu haben und ohne jede sonstige Förmlichkeit, ob
sie hier ein Notlazarett für Überlebende der Brigade einrichten dürften.
Der Ehemann war nicht da zu der Zeit, und die
Frau, mit den Töchtern allein zu Hause, hatte sofort eingewilligt, als ob sie
schon längst darauf gewartet hätte. Sie war wirklich ungewöhnlich umsichtig und
hilfsbereit.
Der Trupp benutzte vier große Räume im
Erdgeschoß. Mit den Überlebenden von der Brigade waren sie alles in allem etwa
fünfzig Leute. Einige davon starben an schlimmen Verbrennungen, andere stöhnten
ständig und schieden Blut aus, und alle verbreiteten den entsetzlichen Gestank.
Trotzdem bestanden Frau und Töchter darauf, unten in der Küche zu schlafen, als
fühlten sie, daß es unter den Umständen nicht richtig wäre, oben zu bleiben.
Soviel er wisse, meinte Tamotsu, schlafe nur der Ehemann oben.
Ich saß auf der Veranda, die zum Garten
hinausführte, und besprach mit Tamotsu die Pläne für morgen, dabei verzehrte
ich, was ich bei mir hatte. Wir saßen auf dem vorspringenden, nicht überdachten
Teil der Veranda neben dem Zierbassin, damit wir die Verletzten nicht störten,
doch der Krankheitsgeruch erreichte uns auch hier. Wir konnten hören, wie
einige unablässig stöhnten, und von Zeit zu Zeit schrie einer: „Volle Deckung!“
Die Dame des Hauses erschien mit einer Kanne
kaltem Gerstentee. „Sie haben heute so schwer gearbeitet“, sagte sie mit
ungekünstelter Höflichkeit. „Ich habe Ihnen Tee bereitet, er ist leider nicht
sehr kalt, aber bitte bedienen Sie sich.“ Sie verbeugte sich und verschwand. Da
ich sie nicht anstarren wollte, sah ich ihr Gesicht nur flüchtig, aber ich
blickte ihr lange nach, und ihre Haltung wirkte so wohlerzogen, wie ich es
erwartet hatte.
Ich versprach Tamotsu, morgen mittag nach Onoura zu gehen. Vom Aufnahmelager in Onoura (der Aula der Volksschule)
war heute eine Nachricht an den hiesigen Rettungsstab gekommen, sie hätten zwei
Mitglieder der Kojin-Brigade in ihrer Obhut, einer hieß Torao aus Kobatake und
der andere Chojuro aus Takafuta. Beide wollten, so bald wie möglich, zur
Behandlung nach Hause, aber der eine war so schwer verletzt, daß es zweifelhaft
schien, ob er sich überhaupt im Bett umdrehen konnte. Sie hätten uns das
jedenfalls mitteilen wollen, hieß es in der Nachricht weiter, da es uns helfen
könnte, eine Liste der Überlebenden zusammenzustellen. Das bedeutete, einer vom
Rettungsstab mußte nach Onoura gehen, daher übernahm ich selbst diese Aufgabe.
Fünfzehntes Kapitel
12. August. Am Morgen leicht bewölkt. Zeitweise
Schmerzen im Bein. Nachmittags heiter.
Ich verließ den provisorischen Hauptsitz des
Lazaretts in Nagao-cho gestern kurz nach fünf. Auf dem Heimweg folgte ich der
Eisenbahnlinie nach Sanyo fast bis zum Bahnhof Yokogawa. Unterwegs überholte
mich eine Frau in mittleren Jahren. Als sie an mir vorüberging, drehte sie sich
um, blieb dann plötzlich stehen und stellte sich mir in den Weg.
„Ist das nicht Herr Shizuma? Aber natürlich ist
es Herr Shizuma!“ rief sie. „Nein, wer hätte das gedacht, hier und unter diesen
Umständen! Ist deine Familie gesund?“
Es war Teiko, eine alte Schulfreundin. Mit
Familiennamen hieß sie Fujita, in der Unterstufe besuchten wir die gleiche
Klasse. Nach dem Abschluß der Volksschule hatte sie in einer Spinnerei in
Kurashiki gearbeitet und dann den Sohn eines Bauern geheiratet, dessen Hof in
der Nähe der Hosokawa-Klinik im Dorf Yuda, außerhalb Fukuyamas, lag. Ihren
Hochzeitskimono konnte sie von ihren eigenen Ersparnissen kaufen. Aber ihr Mann
war kurz danach gestorben. Sie hatte die Sorge um die Familie dem jüngeren
Bruder ihres Mannes und dessen Frau übertragen und sich als Serviererin in
einer Gastwirtschaft in Kurashiki Arbeit gesucht. Zur Zeit des Feldzugs in der
Mandschurei war sie für eine Weile nach Kobatake zurückgekehrt, hatte es aber
bald wieder verlassen und seitdem als Haushaltshilfe im Kagami-Gasthaus in
Fukuyama gearbeitet. Während meiner
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