Schwarzer Schmetterling
so wichtig«, fügte Hirtmann hinzu und wies auf seinen billigen CD -Spieler.
Servaz konnte nicht bestreiten, dass die Tonqualität eher mittelmäßig war. Er merkte, dass Hirtmann das Gespräch von Anfang an kontrolliert hatte – selbst als die anderen ihn mit Fragen überschütteten.
»Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen«, setzte er an, »aber Ihre kleine moralistische Ansprache eben hat mich nicht überzeugt, Hirtmann. Ich habe nichts mit Ihnen gemein, dass wir uns nicht missverstehen!«
»Das können Sie gern so sehen. Nur stimmt es nicht: Wenigstens Mahler haben wir gemeinsam.«
»Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«
»Haben Sie mit Chaperon gesprochen?« Hirtmann hatte abermals den Tonfall gewechselt und registrierte aufmerksam Servaz’ kleinste Reaktionen.
Servaz zuckte zusammen. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Er kannte den Namen des Bürgermeisters von Saint-Martin …
»Ja«, antwortete er zögernd.
»Chaperon war mit diesem … Grimm befreundet. Wussten Sie das?«
Verdutzt starrte Servaz Hirtmann an. Woher wusste er das? Woher hatte er diese Informationen?
»Ja«, antwortete der Polizist. »Ja, er hat es mir gesagt. Und Sie, woher …?«
»Bitten Sie doch den Herrn Bürgermeister, Ihnen von den Selbstmördern zu erzählen.«
»Von wem?«
»Von den
Selbstmördern,
Commandant. Sprechen Sie ihn auf die Selbstmörder an!«
16
» Die Selbstmörder? Wer soll das sein?«
»Ich hab keinen blassen Schimmer. Aber offenbar scheint es Chaperon zu wissen.«
Ziegler warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Hat Hirtmann Ihnen das gesagt?«
»Ja.«
»Und Sie glauben das?«
»Mal sehen.«
»Dieser Typ ist übergeschnappt.«
»Möglich.«
»Und sonst hat er Ihnen nichts gesagt?«
»Nein.«
»Wieso ausgerechnet Ihnen?«
Servaz lächelte.
»Wegen Mahler, nehme ich an.«
»Wie?«
»Die Musik …
Gustav Mahler …
das haben wir gemeinsam.«
Ziegler wandte die Augen kurz von der Straße ab, um ihm einen Blick zuzuwerfen, der auszudrücken schien, dass vielleicht nicht alle Verrückten in einer Klinik eingesperrt waren. Aber Servaz war in Gedanken schon woanders. Das Gefühl, mit etwas konfrontiert zu sein, das grauenhafter war als alles, was er bislang erlebt hatte, war stärker denn je.
»Er geht sehr raffiniert vor«, sagte Propp etwas später, als sie wieder nach Saint-Martin hinunterfuhren.
Die Tannen zogen an ihren Augen vorüber. Gedankenversunken sah Servaz durch die Scheibe.
»Ich weiß nicht, wie er es angestellt hat, aber er hat sofort spitzgekriegt, dass ein Riss durch die Gruppe geht, und er hat versucht, uns auseinanderzudividieren, indem er sich die Sympathie eines Gruppenelements verschafft.«
Servaz wandte sich brüsk nach hinten um. Er blickte dem Psychologen in die Augen.
»›Die Sympathie eines Gruppenelements‹«, wiederholte er. »Hübsche Formulierung … Worauf wollen Sie hinaus, Propp? Glauben Sie, dass ich vergesse, wer er ist?«
»Das wollte ich damit nicht sagen, Commandant«, räumte der Psychologe verlegen ein.
»Sie haben recht, Doktor«, bekräftigte Confiant. »Wir müssen unsere Einigkeit wahren und eine stimmige und erfolgversprechende Ermittlungsstrategie erarbeiten.«
Die Worte klangen für Ziegler und Servaz wie Peitschenhiebe. Wieder spürte Servaz, wie die Wut in ihm hochkochte.
»Sie sprechen von ›Einigkeit‹? Zweimal haben Sie unsere Arbeit vor einem Dritten schlechtgemacht! Das nennen Sie Einigkeit? Ich dachte, es wäre Ihr Grundsatz, die Polizei ihre Arbeit machen zu lassen!«
Confiant hielt dem Blick des Polizisten stand, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Nicht, wenn ich sehe, dass meine Ermittler so offensichtlich auf dem Holzweg sind«, versetzte er streng.
»Dann sprechen Sie doch mit Cathy d’Humières darüber. ›Eine stimmige und erfolgversprechende Strategie‹. Und wie sollte diese Strategie Ihrer Meinung nach aussehen, Monsieur?«
»Jedenfalls sollte sie nicht zum Institut führen.«
»Bevor wir dort waren, konnten wir da nicht sicher sein«, wandte Irène Ziegler mit einer Ruhe ein, die Servaz erstaunte.
»Auf die eine oder andere Weise ist Hirtmanns DNA an den Tatort gelangt«, beharrte Servaz. »Und das ist keine Hypothese, sondern eine Tatsache: Wenn wir wissen, wie sie dorthin kam, sind wir dem Täter auf der Spur.«
»Ich gebe gerne zu«, sagte Confiant, »dass jemand aus dieser Anstalt etwas mit dem Tod dieses Pferdes zu tun hat. Aber Sie haben es selbst gesagt: Hirtmann kann es unmöglich
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