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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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stand sie in der Halle und lauschte. Sie hörte klar und deutlich, wie eine Tür zugeschlagen wurde.
Irgendjemand kam da …
Sie fragte sich, ob es die Graffiti-Künstler waren, die ihre Sixtinische Kapelle fertigstellen wollten. Sie wusste nicht, ob es eine so gute Idee wäre, an diesem Ort allein mit ihnen zusammenzutreffen. Sie machte kehrt und schlich leise zur Rückseite des Gebäudes, als ihr plötzlich aufging, dass sie sich in der Abzweigung geirrt hatte und dass der Flur, den sie genommen hatte, eine Sackgasse war …
Verdammt!
Ihr Puls beschleunigte sich. Sie war schon auf dem Rückweg, als sie vom Eingang her die Schritte des Unbekannten hörte, genauso flüchtig wie Blätter im Wind. Sie schreckte zusammen. Er war schon da! Sie hatte nicht den geringsten Anlass, sich zu verstecken, aber das genügte nicht, um sie dazu zu bewegen, sich zu zeigen. Zumal sich der Unbekannte sehr vorsichtig bewegte und seinerseits stehen geblieben war. Sie verhielt sich mucksmäuschenstill. Sie lehnte sich gegen den kalten Beton, spürte, wie die Angst an ihren Haarwurzeln kleine Schweißtropfen hervortrieb. Wer konnte sich schon gerne an einem Ort wie diesem herumtreiben? Instinktiv ließ sie die Vorsicht des Besuchers ein Motiv vermuten, das nicht gerade lauter war. Was würde geschehen, wenn sie jetzt plötzlich hervortreten und den Unbekannten locker begrüßen würde?
    Die Person stapfte mit einem Mal in ihre Richtung weiter. Panik überfiel Diane. Doch nicht lange, denn der Unbekannte war wieder stehen geblieben. Diane hörte, dass er kehrtmachte und in die entgegengesetzte Richtung ging. Sie nutzte die Gelegenheit, um einen Blick um die Ecke zu werfen, die sie verbarg. Was sie sah, beruhigte sie nicht gerade: ein langes schwarzes Cape mit einer Kapuze, die im Rücken des Besuchers schlug wie die Flügel eines schwarzen Schmetterlings. Ein Regencape – dessen wasserdichtes, steifes Gewebe bei jedem Schritt raschelte.
    Von hinten gesehen, mit diesem viel zu weiten Kleidungsstück, hätte Diane nicht sagen können, ob es ein Mann oder eine Frau war … Doch wie sich diese Gestalt verhielt, hatte etwas Verschlagenes, Heimtückisches, das ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
    Sie nutzte die Gelegenheit, um aus ihrem Versteck zu schlüpfen, aber ihre Stiefelspitze stieß gegen einen metallenen Gegenstand, der laut über den Beton kratzte. Mit pochendem Herzen tauchte Diane wieder in den Schatten ein. Sie hörte, wie die Person abermals stehen blieb.
    » IST DA JEMAND ?«
    Ein Mann … Eine zarte, hohe Stimme, aber ein Mann …
    Diane schien es, als würde ihr Hals an- und abschwellen, so stark pulsierte das Blut in ihren Halsschlagadern. Eine Minute verging.
    » IST DA JEMAND ???«
    Die Stimme war merkwürdig. Da schwang etwas Bedrohliches mit, aber sie hatte auch etwas Klagendes, Zerbrechliches, Zartbesaitetes. Unwillkürlich hatte Diane eine ängstliche Katze vor Augen, die zugleich einen Buckel macht.
    Jedenfalls kannte sie diese Stimme nicht.
    Die Stille schien nicht enden zu wollen. Der Mann rührte sich nicht. Sie auch nicht. Direkt neben ihr fielen Wassertropfen in eine Pfütze. Das kleinste Geräusch erzeugte in dieser Blase der Stille, die von dem gedämpften Rauschen der Bäume draußen umschlossen wurde, ein verstörendes Echo. Auf der Straße fuhr ein Auto vorbei, aber sie beachtete es kaum. Plötzlich zuckte sie zusammen, denn der Mann stieß einen langgezogenen, zugleich schrillen und heiseren Klagelaut aus, der wie ein Squashball von den Mauern zurückgeworfen wurde.
    »Mistkerle, Mistkerle, Mistkeeerle!«, hörte sie ihn schluchzen. »Drecksäcke! Lumpen! Verrecken sollt ihr! Schmort in der Hölle! Uwwahhhh!«
    Diane wagte kaum zu atmen. Sie hatte eine Gänsehaut. Der Mann schluchzte laut los. Sie hörte das Rascheln seines Regencapes, als er auf die Knie fiel. Er weinte und stöhnte, und sie wagte einen weiteren Blick, aber unter der Kapuze konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. Dann richtete er sich unverwandt wieder auf und lief davon. Im nächsten Moment hörte sie, wie die Wagentür zugeschlagen und der Motor angelassen wurde. Dann entfernte sich das Fahrzeug auf der Straße. Sie verließ ihr Versteck und versuchte, normal zu atmen. Was war das eigentlich, was sie hier gerade gesehen und gehört hatte? Kam dieser Mann öfter hierher? War hier etwas vorgefallen, was sein Verhalten erklärte? Denn dieses Verhalten hätte sie eigentlich eher in der Klinik erwartet.
    Jedenfalls hatte er

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