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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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einem Weizenfeld. Ich erinnere mich an jedes Detail: den Sommerabend, das reife Getreide, der Tag, der nicht enden wollte, die Hitze, die selbst um zehn Uhr abends noch die Steine glühen ließ, die Fliegen, die Leiche im Schatten der Scheune. An diesem Abend wurde ich ohnmächtig. Ich musste ins Krankenhaus. Dann habe ich das Ermittlungsverfahren weitergeführt. Wie schon gesagt, das war der Fall, der mir am meisten zugesetzt hat: eine echte Plage: das Leid der Angehörigen, das Unverständnis, die Angst, es könnte weitergehen …«
    »Kennt man die Motive? Haben sie ihre Taten begründet?«
    Der Richter sah ihn mit einem Blick an, der noch immer vollkommene Ratlosigkeit ausdrückte.
    »Nein. Man hat nie herausgefunden, was ihnen durch den Kopf ging. Keiner hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Natürlich waren alle traumatisiert. Man stand jeden Morgen mit der Angst auf, zu erfahren, dass sich ein weiterer Jugendlicher umgebracht hatte. Niemand hat je verstanden, weshalb das hier, bei uns, passiert ist. Die Eltern mit Kindern im gleichen Alter hatten nur eine Angst: dass sie die Nächsten sein könnten. Sie waren regelrecht in Panik. Sie versuchten, sie, so gut es ging, zu überwachen, ohne dass die Kinder etwas davon mitbekamen – oder sie verboten ihnen auszugehen. Das hat länger als ein Jahr gedauert. Insgesamt sieben Kinder.
Sieben!
Und dann war es eines schönen Tages plötzlich vorbei.«
    »Das ist eine unglaubliche Geschichte!«, entfuhr es Servaz.
    »So unglaublich auch wieder nicht. Ich habe später gehört, dass es in anderen Regionen und Ländern, etwa in Wales, in Québec und in Japan, ähnliche Ereignisse gegeben hat. Geschichten von Jugendlichen, die beschlossen hatten, gemeinsam in den Tod zu gehen. Heute ist es noch schlimmer. Sie kontaktieren sich übers Internet; sie tauschen in Foren Nachrichten aus: ›Mein Leben hat keinen Sinn, suche Partner zum Sterben.‹ Ich übertreibe nicht. Im Fall der Selbstmorde in Wales fanden sich unter den Beileidsbriefen und Gedichten andere Botschaften: ›Ich werde bald nachkommen‹ … Wer würde so etwas für möglich halten?«
    »Ich glaube, dass wir in einer Welt leben, in der mittlerweile alles möglich ist«, antwortete Servaz. »Und vor allem das Schlimmste.«
    Ein Bild war in seinem Geist aufgetaucht: Ein Junge durchquerte mit schweren Schritten ein Weizenfeld, die untergehende Sonne in seinem Rücken, einen Strick in der Hand. Um ihn herum sangen die Vögel, der lange Sommerabend brauste vom Leben – aber in seinem Kopf herrschte bereits Dunkelheit. Der Richter sah ihn finster an.
    »Ja, das glaube ich auch. Und auch wenn diese jungen Leute nichts über ihre Motive verlauten ließen, wissen wir doch, dass sie sich gegenseitig ermunterten, zur Tat zu schreiten.«
    »Wie das?«
    »Die Gendarmerie hat bei mehreren der Selbstmörder Briefe gefunden: eine Korrespondenz. Offenbar von anderen Selbstmordkandidaten verschickt. Sie sprachen von ihren Plänen, von der Art und Weise, wie sie sie umsetzen wollten, davon, dass sie es kaum erwarten konnten, zur Tat zu schreiten. Das Problem ist, dass diese Briefe nicht mit der Post verschickt wurden und dass alle Pseudonyme verwendeten. Als wir sie fanden, beschlossen wir, von allen Jugendlichen zwischen dreizehn und neunzehn Jahren in der Umgebung Fingerabdrücke machen zu lassen. Auch einen Graphologen zogen wir zu Rate. Eine mühevolle Kleinarbeit. Ein ganzes Ermittlungsteam saß rund um die Uhr daran. Einige dieser Briefe stammten von denen, die sich bereits umgebracht hatten. Aber dank dieser Arbeit konnten wir auch drei neue Kandidaten identifizieren. Unglaublich, ich weiß. Wir haben sie ständig überwacht und psychologisch betreut. Trotzdem ist es einem von ihnen gelungen, sich in seiner Badewanne mit seinem Haartrockner einen tödlichen Stromstoß zu versetzen. Das siebte Opfer … Die beiden anderen haben ihre Pläne nicht in die Tat umgesetzt.«
    »Diese Briefe …?«
    »Ja, die habe ich noch. Glaubst du wirklich, dass diese Geschichte etwas mit dem Mord an dem Apotheker und Lombards Pferd zu tun hat?«
    »Grimm wurde erhängt gefunden …«, bemerkte Servaz vorsichtig.
    »Und das Pferd auch – sozusagen …«
    Servaz spürte ein eigenartiges Kribbeln: das Gefühl, dass er einen entscheidenden Schritt vorangekommen war. Aber einen Schritt wohin? Der Richter stand auf. Er verließ das Zimmer und kehrte nach zwei Minuten mit einem schweren Karton voller Papiere und Ordner zurück.
    »Da ist

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