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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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er einen großen dampfenden Teller vor Servaz stellte.
    Es duftete köstlich. Servaz stieß seine Gabel hinein und führte einen Bissen zum Mund. Er verbrannte sich die Zunge, aber er hatte selten etwas so Gutes gegessen.
    »Nun?«
    »Wenn Sie als Richter genauso gut waren wie als Koch, dann hat das Gericht von Saint-Martin einen herben Verlust erlitten.«
    Saint-Cyr nahm diese Schmeichelei wörtlich. Er konnte sein Kochgenie gut genug einschätzen, um zu wissen, dass sich hinter diesem etwas übertriebenen Kompliment ein ernstgemeintes Lob verbarg. Der kleine Mann neigte die Weißweinflasche zu Servaz’ Glas.
    »Probieren Sie mal.«
    Servaz hob das Glas an seine Augen, ehe er es an die Lippen führte. Im Kerzenlicht hatte der Wein die Farbe von fahlem Gold, das smaragdgrün schimmerte. Servaz war kein großer Kenner, aber schon nach dem ersten Schluck war ihm klar, dass er hier einen außergewöhnlichen Wein eingeschenkt bekommen hatte.
    »Wunderbar. Wirklich. Auch wenn ich kein Experte bin.«
    Saint-Cyr nickte.
    »Bâtard-Montrachet 2001 .«
    Er blinzelte Servaz zu und ließ seine Zunge schnalzen.
    Schon nach dem zweiten Schluck drehte sich Servaz der Kopf. Er hätte nicht mit leerem Magen kommen dürfen.
    »Wollen Sie mich zum Reden bringen?«, fragte er lächelnd.
    Saint-Cyr lächelte.
    »Es ist ein Vergnügen, zu sehen, wie du reinhaust. Man könnte meinen, dass du seit zehn Tagen nichts gegessen hast. Was hältst du von Confiant?«, fragte der Richter plötzlich.
    Die Frage traf Servaz unvorbereitet. Er zögerte.
    »Ich weiß nicht? Ein bisschen zu früh, um das zu beantworten …«
    Wieder sah er das schlaue Funkeln in den Augen des Richters.
    »Das stimmt nicht. Du hast dir doch schon ein Urteil gebildet. Es ist negativ. Deshalb willst du nichts sagen.«
    Die Bemerkung brachte Servaz aus der Fassung. Der Richter war nicht auf den Mund gefallen.
    »Confiant steht sein Name schlecht an«, fuhr Saint-Cyr fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »Er vertraut niemandem, und man sollte ihm auch kein Vertrauen entgegenbringen. Das hast du vielleicht schon bemerkt.«
    Treffer. Wieder sagte sich Servaz, dass ihm der Mann noch von Nutzen sein könne. Sobald er aufgegessen hatte, räumte Saint-Cyr die Teller ab.
    »Kaninchen in Senfsoße«, sagte er, als er zurückkam. »Ist das genehm?«
    Er hatte eine zweite Flasche mitgebracht. Diesmal Rotwein. Eine halbe Stunde später, nach einem Dessert mit Äpfeln und einem Glas Sauternes, hatten sie es sich in Sesseln vor dem offenen Kamin bequem gemacht. Servaz fühlte sich gesättigt und ein wenig angeheitert. Erfüllt von einem Gefühl satten Wohlseins, wie er es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Saint-Cyr reichte ihm in einem Schwenker einen Cognac, er selbst nahm einen Armagnac.
    Dann sah er Servaz scharf an, und ihm war klar, dass sie jetzt Klartext reden würden.
    »Du kümmerst dich auch um die Sache mit dem toten Pferd«, erklärte der Richter nach dem ersten Schluck. »Glaubst du, dass es einen Zusammenhang mit dem Mord an dem Apotheker gibt?«
    »Vielleicht.«
    »Zwei entsetzliche Verbrechen im Abstand von wenigen Tagen und einigen Kilometern.«
    »Ja.«
    »Wie fandest du Eric Lombard?«
    »Arrogant.«
    »Mach ihn dir nicht zum Feind. Er hat einen langen Arm, und er könnte dir nützlich sein. Aber lass ihn bei den Ermittlungen auch nicht das Ruder übernehmen.«
    Servaz lächelte wieder. Der Richter war vielleicht pensioniert, aber aus der Übung war er nicht gekommen.
    »Sie wollten mir von den Selbstmördern erzählen.«
    Der Richter führte das Glas an seine Lippen.
    »Wie kann man heute noch Polizist sein?«, fragte er, ohne auf die Frage zu antworten. »In einer Zeit, wo überall die Korruption herrscht, wo jeder nur noch daran denkt, sich die Taschen vollzustopfen? Wie kann man da noch alles auseinanderhalten? Ist das nicht schrecklich kompliziert geworden?«
    »Oh, nein, im Gegenteil, es ist sehr einfach«, sagte Servaz. »Es gibt zwei Sorten Menschen: die Mistkerle und die anderen. Und jeder muss sich entscheiden, zu welchem Lager er gehören will. Wenn man diese Entscheidung nicht trifft, ist man bereits im Lager der Mistkerle.«
    »Glaubst du das wirklich? Dann ist es für dich ja ganz einfach: Es gibt die Guten und die Bösen? Du kannst dich glücklich schätzen! Stell dir vor, du könntest bei Präsidentschaftswahlen zwischen drei Kandidaten wählen: Der erste ist infolge einer Polioerkrankung halb gelähmt, leidet an Hochdruck, Blutarmut und zahlreichen

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