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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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vorausgingen. Das war letztlich praktisch ihre einzige Gemeinsamkeit. Als ich ihre Aufenthalte überprüfte, stellte ich fest, dass sie sich auf zwei Sommer verteilten. Und dass im Jahr vor diesen beiden Sommern der Direktor der Kolonie gewechselt hatte …«
    Servaz war jetzt höchst konzentriert. Er ahnte, worauf der Richter hinauswollte.
    »Da habe ich begonnen, im Leben dieses Direktors herumzustöbern – ein junger Mann von etwa dreißig Jahren, aber ich habe nichts gefunden: verheiratet, Vater einer kleinen Tochter und eines kleinen Sohns, ein eher unauffälliger Typ …«
    »Weißt du, wo er heute ist?«, fragte Servaz.
    »Auf dem Friedhof. Er hat vor etwa zehn Jahren mit seinem Motorrad einen Lkw geküsst. Ich habe allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Jugendlichen sexuell missbraucht wurden. Und zwei der Selbstmörder sind auch nie in der Kolonie gewesen. Und da so viele Kinder aus der Region für die Ferien in der Kolonie waren, ist es nicht weiter verwunderlich, dass das eine Gemeinsamkeit von mehreren der Selbstmörder war. Schließlich habe ich diese Spur aufgegeben …«
    »Aber du glaubst weiterhin, dass man vielleicht in dieser Richtung weiter hätte ermitteln sollen?«
    Saint-Cyr hob den Kopf. Seine Augen funkelten.
    »Ja.«
    »Du hast mir von dieser Anzeige erzählt, die gegen Grimm und die drei anderen erstattet und gleich darauf wieder zurückgezogen wurde. Ich vermute, du hast die vier im Rahmen der Ermittlungen in den Suizidfällen vernommen?«
    »Weshalb hätte ich das tun sollen? Es bestand keine Verbindung.«
    »Hast du bestimmt zu keinem Zeitpunkt an sie gedacht?«, sagte Servaz.
    Saint-Cyr zögerte erneut.
    »Doch, natürlich …«
    »Könntest du das etwas näher erläutern?«
    »Diese sexuelle Erpressungsgeschichte war nicht das erste Gerücht, das über diese vier kursierte. Es gab noch weitere, davor und danach. Aber niemals irgendetwas, was zu einer offiziellen Anzeige geführt hätte, abgesehen von diesem einen Mal.«
    »Was für Gerüchte?«
    »Gerüchte, wonach andere Mädchen genauso behandelt wurden – was bei einigen angeblich ein böses Ende genommen hat. Sie sollen zum Trinken geneigt haben, und wenn sie erst besoffen waren, sollen sie gewalttätig geworden sein … Solche Dinge … Aber die Mädchen, um die es dabei ging, waren alle volljährig oder fast volljährig. Und die Selbstmörder waren Jugendliche. Und so habe ich diese Spur nicht weiterverfolgt. Außerdem waren Gerüchte damals wahrlich keine Mangelware.«
    »Und stimmte es, was Grimm und die anderen anlangte?«
    »Vielleicht … Aber mach dir keine Illusionen: Das ist hier so wie überall. Es gibt unzählige Klatschweiber und selbsternannte Hauswarte, die nur zum Zeitvertreib die übelsten Geschichten über ihre Nachbarn verbreiten. Und bei Bedarf erfinden sie auch einfach welche. Das beweist nichts. Da war mit Sicherheit etwas Wahres dran, aber jedes Mal, wenn jemand dieses Gerücht aufschnappte, hat er es vermutlich ziemlich aufgeblasen.«
    Servaz nickte.
    »Aber du fragst dich zu Recht, ob der Mord an dem Apotheker nicht auf die eine oder andere Art mit solchen alten Geschichten zusammenhängt«, fuhr der Richter fort. »Alles, was in diesem Tal geschieht, wurzelt in der Vergangenheit. Wenn du die Wahrheit aufdecken willst, wirst du jeden Stein umdrehen müssen – um nachzusehen, was sich darunter befindet.«
    »Und Hirtmann, welche Rolle spielt er dabei?«
    Der Richter sah ihn nachdenklich an.
    »Als ich noch Ermittlungsrichter war, nannte ich das immer das ›unpassende Detail‹. In jedem Fall gab es eines: ein Mosaiksteinchen, das einfach nicht ins Bild passte. Wenn man es entfernte, war alles stimmig. Aber es war da. Es wollte nicht weggehen. Es bedeutete, dass uns irgendwo irgendetwas entgangen war. Manchmal war es wichtig. Manchmal nicht. Es gibt Richter und Polizisten, die beschließen, es glattweg zu ignorieren; viele Justizirrtümer sind darauf zurückzuführen. Was mich angeht, habe ich dieses Detail niemals außer Acht gelassen. Aber ich habe mich auch nicht davon beherrschen lassen.«
    Servaz sah auf seine Uhr und stand auf.
    »Schade, dass wir bei diesem Fall nicht zusammenarbeiten«, sagte er. »Ich hätte lieber mit dir zu tun gehabt als mit Confiant.«
    »Danke«, sagte Saint-Cyr und stand seinerseits auf. »Ich glaube, wir hätten ein gutes Team abgegeben.«
    Er zeigte auf den Esstisch, die Küche und die leeren Gläser auf dem Bistrotisch vor dem

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