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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Material zum Schachtboden hinunter, wo sie es auf zweisitzige Schlepper mit Anhänger laden. Der Schacht mündet siebzig Meter weiter unten in einen Stollen im Berginneren. Siebzig Meter, das ist ein ganz schön gefährlicher Abstieg. Um zu der Anlage zu gelangen, benutzen sie denselben Stollen, der das Wasser vom oberen See zu den Fallleitungen führt: Die Schieber am oberen See werden geschlossen, während die Männer im Stollen sind.«
    Der Hubschrauber überflog jetzt die Plattform, die wie ein Bohrturm auf der Flanke des Berges hockte. Sie hing fast in der Luft – und Servaz spürte wieder den Schwindel, der ihm den Magen zusammenschnürte. Unterhalb der Plattform fiel der Hang extrem steil ab. Tausend Meter tiefer lag der untere See mit seinem großen, halbkreisförmigen Stauwehr.
    Servaz entdeckte Spuren im Schnee um die Plattform, dort, wo die Techniker ihre Proben entnommen und Schnee geschaufelt hatten. Gelbe Plastikrechtecke mit schwarzen Ziffern markierten die Stellen, wo sie Indizien gefunden hatten. Und Halogenscheinwerfer hingen noch an den metallenen Stützen. Er sagte sich, dass es dieses Mal immerhin nicht problematisch gewesen war, den Tatort abzuriegeln; aber die Kälte musste ihnen zu schaffen gemacht haben.
    Irène Ziegler deutete auf das Gerüst.
    »Die Arbeiter sind nicht einmal ausgestiegen. Sie haben in der Talstation angerufen und sind dann gleich wieder hinuntergefahren. Sie hatten eine Heidenangst. Vielleicht befürchteten sie, der Irre, der das getan hat, wäre noch in der Nähe.«
    Verstohlen beobachtete Servaz die junge Frau. Je länger er ihr zuhörte, umso mehr stiegen sein Interesse und die Zahl der Fragen.
    »Kann ein Mann allein, ohne fremde Hilfe, ein totes Pferd so weit hochziehen und es inmitten der Seile aufhängen? Das ist kaum zu schaffen, oder?«
    »Freedom war ein Jährling von ungefähr zweihundert Kilo«, antwortete sie. »Selbst wenn man den Kopf und den Hals abzieht, bleiben noch immer gut hundertfünfzig Kilo Fleisch, die der Täter herumschleppen müsste. Wie dem auch sei, Sie haben vorhin den Palettenwagen gesehen: Damit lassen sich gewaltige Nutzlasten transportieren. Aber selbst wenn man annimmt, dass es einem einzelnen Menschen gelingen sollte, ein Pferd mit Hilfe eines Hub- oder eines Palettenwagens zu transportieren, hätte er das Tier jedenfalls nicht allein hochziehen und an dem Gerüst befestigen können. Und außerdem hätte man ein Fahrzeug benötigt, um es hier hochzuschaffen.«
    »Aber die Wachleute haben nichts gesehen.«
    »Und sie sind zu zweit.«
    »Und sie haben auch nichts gehört.«
    »Obwohl sie zu zweit sind.«
    Weder sie noch ihn musste man daran erinnern, dass siebzig Prozent aller Totschläger und Mörder innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach der Tat identifiziert wurden. Aber wie war es, wenn das Opfer ein Pferd war? Darüber würden die polizeilichen Statistiken sich wohl ausschweigen.
    »Zu einfach«, sagte Ziegler. »Das denken Sie doch. Aber das wäre zu einfach. Zwei Wachleute und ein Pferd. Aus welchem Grund sollten sie das tun? Wenn sie es auf ein Pferd von Eric Lombard abgesehen hatten, kämen sie doch wohl kaum auf die Idee, es ausgerechnet in der Bergstation der Seilbahn aufzuknüpfen, bei der sie arbeiten, um so den Verdacht auf sich zu lenken.«
    Servaz dachte über ihre Worte nach. Tatsächlich war sein Gedanke wenig plausibel. Aber war es andererseits möglich, dass sie nichts gehört hatten?
    »Und überhaupt, was für ein Motiv sollten sie haben?«
    »Niemand ist einfach nur Wachmann, Polizist oder Gendarm«, sagte er. »Jeder hat seine kleinen Geheimnisse.«
    »Sie auch?«
    »Sie etwa nicht?«
    »Klar, aber da gibt es doch noch das Institut Wargnier«, beeilte sie sich zu sagen, während sie ein Flugmanöver machte, bei dem Servaz abermals die Luft anhielt. »Dort gibt es bestimmt mehr als einen Insassen, der zu so etwas in der Lage wäre.«
    »Sie meinen jemand, der sich aus der Anstalt hinausgestohlen hätte und wieder zurückgekehrt wäre, ohne dass das Personal etwas davon bemerkt hätte?« Er dachte nach. »Jemand, der in das Gestüt eingedrungen wäre, ein Pferd getötet hätte, es aus seiner Box herausgeschafft und es ganz allein in ein Fahrzeug geladen hätte? Und das alles, ohne dass irgendjemand das Geringste mitbekommt, weder hier noch dort unten? Und dann hätte er dem Pferd auch noch den Kopf abgetrennt, die Haut abgezogen und es dann zur Bergstation geschafft …«
    »Na schön, na schön, es ist

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