Schwarzer Schmetterling
mir unerträglich. Also bin ich, ohne groß nachzudenken, ins Pink Banana gedüst. Zuzka ist dort Geschäftsführerin.«
»Seid ihr schon lange zusammen?«
»Achtzehn Monate.«
»Und bist du sehr verliebt?«
»Ja.«
»Kommen wir auf den Unfall zurück. Oder vielmehr auf den angeblichen Unfall. Denn es gab keinen Unfall, stimmt’s?«
»Doch! Hast du nicht meine Kombi und meine Schrammen gesehen? Oder glaubst du, dass ich mir die selbst beigebracht habe?«
»Kurz habe ich geglaubt, dass du dir diese Verletzungen zugezogen hast, als du aus der Seilbahnkabine gesprungen bist«, antwortete er. »Nachdem du Perrault in die Tiefe gestoßen hast«, fuhr er fort.
Sie wand sich auf ihrem Stuhl.
»Und jetzt glaubst du es nicht mehr?«
»Nein, weil du es nicht gewesen bist.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich glaube, dass ich weiß, wer es war. Aber ich glaube auch, dass du mir nicht die ganze Wahrheit sagst, selbst wenn du einen Unfall hattest.«
Wieder schien sein Scharfsinn sie zu verblüffen.
»Nach dem Unfall habe ich mich absichtlich verspätet«, sagte sie. »Ich hab mir Zeit gelassen.«
»Aus welchem Grund?«
»Perrault: Ich wollte, dass er stirbt – oder vielmehr wollte ich dem Mörder eine kleine Chance geben, ihn zu erwischen.«
Servaz starrte sie eine Weile an.
»Wegen dem, was sie dir angetan haben«, sagte er. »Grimm, Chaperon, Mourrenx und er.«
Sie antwortete nicht, stimmte ihm jedoch kopfnickend zu.
»In der Kolonie«, fuhr er fort.
Sie sah ihn überrascht an.
»Nein … viel später … Als ich in Pau Jura studierte, habe ich an einem Wochenende bei einem Dorffest Perrault kennengelernt. Er hat sich bereit erklärt, mich nach Hause zu bringen. Grimm und Mourrenx erwarteten uns am Ende eines Weges, einige Kilometer von dem Fest entfernt … Chaperon war an diesem Abend nicht dabei, ich weiß nicht, wieso. Aus diesem Grund habe ich erst, als ich dieses Foto gefunden habe, eine Verbindung zwischen ihm und den anderen hergestellt. Als ich sah, dass Perrault von der Straße abfuhr und diesen Weg nahm, wusste ich sofort, was los war. Ich wollte aussteigen, aber er hat mich geschlagen, wieder und wieder, während der Fahrt und dann, als wir hielten. Er nannte mich Schlampe, Nutte. Mir lief das Blut nur so runter. Dann …«
Sie verstummte. Er zögerte lange, ehe er die Frage stellte:
»Warum hast du sie nicht …?«
»Angezeigt? Ich … ich hab damals mit vielen Leuten geschlafen. Männern, Frauen … Einschließlich einer meiner Professorinnen an der Uni, einer verheirateten Frau mit Kindern. Und mein Vater war Gendarm. Ich wusste, was passieren würde – die Ermittlungen, der Schmutz, der Skandal … Ich habe an meine Eltern gedacht, daran, wie sie reagieren würden, und auch an meinen Bruder und meine Schwägerin, die nichts über mein Privatleben wussten …«
So also war es ihnen gelungen, ihr Geheimnis so lange für sich zu behalten, sagte er sich. Seine erste Vermutung in Chaperons Haus war richtig gewesen. Sie setzten darauf, dass neunzig Prozent aller Vergewaltigungsopfer keine Anzeige erstatten, und abgesehen von den Jugendlichen in der Ferienkolonie, die nie ihr Gesicht gesehen hatten, suchten sie sich Opfer aus, die viel zu verlieren hatten und deren unangepasster Lebensstil sie jedenfalls davon abhalten würde, Anzeige zu erstatten. Intelligente »Beutegreifer« … aber immerhin durchschaut von ihren Frauen, die irgendwann Verdacht schöpften und entweder die eheliche Bettgemeinschaft mit ihnen aufkündigten oder sie gleich ganz verließen.
Er dachte noch einmal an den Direktor der Kolonie, der bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen war. Auch dieser Tod kam wie gerufen.
»Bist du dir darüber im Klaren, dass du mein Leben in Gefahr gebracht hast?«
»Tut mir leid, Martin. Wirklich. Aber im Moment werde vor allem ich des Mordes beschuldigt«, korrigierte sie ihn mit einem matten, traurigen Lächeln.
Sie hatte recht. Er durfte sich jetzt keine Blöße geben. Confiant würde nicht so leicht lockerlassen, jetzt, wo er eine ideale Täterin hatte. Und Servaz selbst hatte sie ihm präsentiert!
»Schwer nachvollziehbar wird’s da, wo du meine Abwesenheit ausnutzt, um Chaperon ausfindig zu machen, ohne irgendjemandem etwas davon zu sagen«, meinte er.
»Ich wollte ihn nicht umbringen … Ich wollte ihm einfach … Angst einjagen. Ich wollte den panischen Schrecken in seinen Augen sehen, so wie er die panische Angst in den Augen seiner Opfer gesehen und
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