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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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war. »Wir warten auf die Verstärkung.«
    »Die kommt aber erst in einer guten Stunde!«
    »Egal!«
    Zögernd nickte sie.
    »Ich mache dir einen Druckverband«, sagte sie zu Samira. »Man weiß nie: Vielleicht musst du noch deine Waffe gebrauchen können.«
    Innerhalb weniger Sekunden bastelte sie aus einer Binde, die sie aus ihrer Tasche zog, und einem neuen Päckchen Taschentücher einen so festen Druckverband, dass die Blutung aufhörte. Servaz wusste, wenn die Blutung erst einmal gestillt war, bestand für einen Verletzten kein größeres Risiko mehr. Er griff nach seinem Walkie-Talkie.
    »Pujol, Simeoni, kommt rein!«
    »Was ist los?«, fragte Pujol.
    »Wir wurden beschossen. Samira ist verwundet. Wir brauchen Unterstützung, wir sind in der Eingangshalle. Standort gesichert.«
    »Verstanden.«
    Er drehte den Kopf um – und erschrak.
    Mehrere ausgestopfte Tierköpfe starrten ihn von den Wänden der Halle an. Bären. Gemsen. Hirsche. Einen der Köpfe kannte er.
Freedom … Das Pferd glotzte ihn mit seinen goldenen Augen an.
    Plötzlich sah er, wie Irène aufstand und ins Innere des Gebäudes losstürmte.
Verdammt!
    »Du bleibst bei ihr!«, rief er Espérandieu zu und rannte hinterher.
     
    Diane fühlte sich, als hätte sie stundenlang geschlafen. Als sie die Augen aufmachte, sah sie zuerst die Straße, die sich im Licht der Scheinwerfer wie ein breiter werdendes Band auf sie zuzuwälzen schien, und die Schneeflocken, die sich ihnen zu Abertausenden entgegenschleuderten. Sie hörte die knisternden Durchsagen vom Armaturenbrett her, etwas links von ihr.
    Dann drehte sie den Kopf und sah ihn.
    Ihr war sofort klar, dass sie leider nicht träumte.
    Er bemerkte, dass sie aufgewacht war, und griff nach der Waffe zwischen seinen Schenkeln. Im Fahren hielt er sie auf sie gerichtet.
    Er sprach kein Wort – das war nicht nötig.
    Diane fragte sich unwillkürlich, wo und wann er sie umbringen würde. Und wie. Würde sie wie die anderen enden, wie die Dutzende von anderen, deren Leichen nie gefunden worden waren – verscharrt in irgendeinem Erdloch tief im Wald?
    Bei diesem Gedanken fühlte sie, wie panische Angst sie lähmte. Sie war ein Tier, das in diesem Auto in der Falle saß. Diese Erkenntnis erschien ihr so unerträglich, dass die Angst verging und Wut und Entschlossenheit die Oberhand gewannen. Und zwar eine kalte Entschlossenheit, ebenso eiskalt wie die Atmosphäre draußen: Wenn sie schon sterben musste, dann jedenfalls nicht als Opfer. Sie würde kämpfen und ihre Haut teuer verkaufen. Dieser Mistkerl ahnte noch nicht, was ihn erwartete. Sie musste den günstigsten Moment abpassen. Er würde mit Sicherheit kommen. Sie musste sich unbedingt bereithalten …
     
    Maud, meine geliebte kleine Schwester. Schlaf, kleine Schwester. Schlaf. Du bist so schön, wenn du schläfst. So friedlich. So strahlend.
    Ich habe versagt, Maud. Ich wollte dich beschützen, du hast mir vertraut, du hast an mich geglaubt. Ich bin gescheitert. Ich konnte dich nicht vor der Welt retten, kleine Schwester; ich konnte nicht verhindern, dass die Welt dich beschmutzt und verletzt.
    »Monsieur! Wir müssen los! Kommen Sie!«
    Eric Lombard drehte sich um, den Benzinkanister in der Hand. Otto hielt eine Waffe, sein anderer Arm baumelte leblos herunter – der Ärmel war blutgetränkt.
    »Warte«, sagte er. »Lass mich noch ein bisschen, Otto. Meine kleine Schwester … Was haben sie ihr angetan? Was haben sie ihr angetan, Otto?«
    Er drehte sich zu dem Sarg um. Um ihn herum ein großer kreisförmiger Raum, der von Wandleuchten erhellt wurde. Alles in diesem Saal war weiß: Wände, Boden, Möbel … Ein quadratisches Podest in der Mitte, ringsherum zwei Stufen, die zu dem großen elfenbeinernen Sarkophag führten, der darauf ruhte. Außerdem waren da noch zwei kleine runde Tische mit blumengeschmückten Vasen. Weiße Blumen in weißen Vasen auf weißen Tischen.
    Eric Lombard schüttete Benzin auf den Katafalk. Der Sarg stand offen. Auf dem elfenbeinfarbenen Polster lag Maud Lombard – in ihrem weißen Kleid schien sie zu schlafen. Mit geschlossenen Augen. Lächelnd. Makellos rein. Unsterblich …
    Plastination. Dabei wurden die biologischen Flüssigkeiten durch Silikon ersetzt. Wie in Ausstellungen, wo man die Welt perfekt konservierter Körper zeigte. Eric Lombard starrte das junge Engelsgesicht an, das jetzt von Benzin troff.
    Die Gewalttat erhebt sich zur Rute der Gesetzlosigkeit. Nichts von ihnen wird bleiben, nichts von ihrer

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