Schwarzer Schmetterling
er die Fahrertür auf und zog den Mann nach draußen. Er legte die Leiche im Schnee ab und stöberte in den Fächern der Wagentüren nach einem Lappen. Hirtmann wischte, so gut es ging, den blutigen Brei auf und kehrte dann zum Wagenfond zurück, um Diane unter den Achseln zu packen. Sie war schlaff, aber er spürte, dass sie schon bald aus der Benebelung durch das Chloroform aufwachen würde. Er setzte sie auf den Beifahrersitz, legte ihr eng den Gurt an und nahm am Steuer Platz, die Waffe zwischen den Schenkeln. Im Schnee und der kalten Nacht begann der noch warme Körper des Gendarmen zu dampfen, als verglühte er.
Am Ende der langen Eichenallee blieb Ziegler am Rand des halbkreisförmigen großen Platzes vor dem Schloss stehen. Es wehte ein eiskalter Wind. Sie waren völlig durchgefroren. Die großen, in Buchsbäume geschnittenen Tierfiguren, die schneebedeckten Blumenbeete, die aussahen wie mit Puderzucker bestäubte Süßwaren, die weiße Fassade …
Alles war so unwirklich …
Und die Ruhe. Eine trügerische Ruhe, dachte Servaz, der jetzt hellwach war.
Vor dem Wind geschützt, hinter dem Stamm der letzten Eiche, reichte Ziegler Servaz ein Walkie-Talkie und Espérandieu ein zweites. Sie erteilte ihre Anweisungen sehr bestimmt:
»Wir trennen uns. Zwei Teams. Eines rechts, eines links. Sobald ihr in Position seid, um uns zu decken, gehen wir rein.« Sie zeigte auf Samira. »Falls sie Widerstand leisten, ziehen wir uns zurück und warten auf das Sondereinsatzkommando.«
Samira nickte, und sie überquerten rasch den Mittelgang in Richtung der zweiten Baumreihe, wo sie verschwanden. Ohne ihm die Zeit zu einer Reaktion zu lassen, sah Servaz Espérandieu an, der mit den Schultern zuckte. Auch sie schlichen jetzt zwischen den Bäumen hindurch, in die andere Richtung, um den halbkreisförmigen Platz herum. Während sie vorstießen, ließ Servaz die Fassade nicht aus den Augen.
Plötzlich zuckte er zusammen.
Eine Bewegung …
Ihm war, als hätte er hinter einem Fenster einen Schatten gesehen.
Das Walkie-Talkie rauschte.
»Sind Sie in Position?«
Irène Ziegler. Er zögerte. Hatte er etwas gesehen – ja oder nein?«
»Ich hab vielleicht im ersten Stock wen gesehen«, sagte er. »Ich bin mir nicht sicher.«
»Okay, wir gehen trotzdem rein. Gebt uns Deckung.«
Einen Moment lang wollte er ihr sagen, zu warten.
Zu spät. Schon schlichen die beiden Kolleginnen zwischen den verschneiten Blumenbeeten hindurch und rannten über den Kies. Als sie zwischen den beiden großen Buchsbaumlöwen hindurchschlüpften, gefror Servaz das Blut in den Adern: Im ersten Stock ging ein Fenster auf. Ein ausgestreckter Arm mit einer Waffe! Ohne zu zögern, zielte er und schoss. Zu seiner großen Überraschung zersplitterte eine Fensterscheibe. Aber nicht im richtigen Fenster! Der Schatten verschwand.
»Was ist los?«, plärrte Ziegler im Walkie-Talkie.
Er sah, wie sie hinter einem der riesigen Tiere in Deckung ging. Kein gerade guter Schutz. Ein einziger Feuerstoß durch den Busch, und sie wäre erledigt.
»Passt auf!«, schrie er. »Da ist wenigstens ein bewaffneter Typ drin! Der wollte auf euch schießen!«
Sie gab Samira ein Zeichen, und schon spurteten sie auf die Fassade zu. Sie verschwanden im Eingang.
Donnerwetter!
Jede von ihnen hatte mehr Testosteron als Espérandieu und er zusammen!
»Jetzt ihr!«, rief Ziegler in den Apparat.
Servaz brummte. Sie hätten umkehren und auf Verstärkung warten sollen. Aber er rannte trotzdem los, gefolgt von Espérandieu. Sie liefen zum Eingang des Schlosses, als innen mehrere Schüsse widerhallten. In großen Sätzen eilten sie die Stufen der Freitreppe hinauf und durch das offen stehende Portal. Ziegler feuerte, hinter einer Statue versteckt, ins Innere des Gebäudes. Samira lag auf dem Boden.
»Was ist passiert?«, brüllte Servaz.
»Wir sind beschossen worden!«
Servaz betrachtete argwöhnisch die Flucht der im Dunkeln liegenden Salons. Ziegler beugte sich über Samira. Eine Wunde am Bein. Sie blutete stark. Auf dem Marmorboden hatte sie eine lange Blutspur hinterlassen. Die Kugel hatte den Oberschenkel aufgerissen, allerdings ohne die Schlagader zu verletzen. Auf dem Boden liegend, drückte Samira bereits ihre Hand auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen. Bis zum Eintreffen der Rettungssanitäter konnte man nichts weiter tun. Ziegler zog ihr Walkie-Talkie heraus, um einen Krankenwagen anzufordern.
»Wir rühren uns nicht vom Fleck!«, ordnete Servaz an, als sie fertig
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