Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
Vom Netzwerk:
Menge und nichts von ihrem Getümmel, und nichts Herrliches an ihnen. Die Zeit kommt, der Tag trifft ein! Und niemand wird durch seine Ungerechtigkeit sein Leben befestigen. Hesekiel 7, 11–13.
    »Monsieur! Hören Sie mich? Wir müssen los!«
    »Sieh nur, wie sie schläft. Sieh nur, wie friedlich sie ruht. Sie war noch nie so schön wie jetzt.«
    »Sie ist tot, Herrgott noch mal! TOT ! Kommen Sie doch zu sich!«
    »Vater las uns immer aus der Bibel vor, jeden Abend, Otto. Erinnerst du dich? Das Alte Testament. Nicht wahr, Maud? Wir lernten seine Lektionen, er brachte uns bei, uns selbst Recht zu verschaffen – eine Beleidigung oder ein Verbrechen niemals ungestraft zu lassen.«
    »Wachen Sie auf, Monsieur! Wir müssen los!«
    »Aber er selbst war ungerecht und grausam! Und als Maud begonnen hat, mit Jungs auszugehen, hat er sie genauso behandelt wie vorher seine Mutter.
Und wenn Entronnene von ihnen entrinnen, so werden sie auf den Bergen sein wie die Tauben der Täler, alle girrend, ein jeder wegen einer Missetat. Alle Hände werden erschlaffen, und alle Knie werden zerfließen wie Wasser, und Schauder wird sie bedecken. Hesekiel 7, 16–18.
    Schusslärm von oben. Otto drehte sich um und ging mit erhobener Waffe zur Treppe. Er verzog das Gesicht, sein verwundeter Arm schien zu schmerzen.
     
    Der Mann war plötzlich hinter einer Ecke aufgetaucht. Alles ging sehr schnell. Die Kugel flog so nahe an Servaz vorbei, dass er sie wie eine Hornisse schwirren hörte. Er hatte keine Zeit zu reagieren. Aber Ziegler schoss bereits, und er sah, wie der Mann gegen eine Marmorstatue stürzte. Seine Waffe fiel klirrend auf den Boden.
    Ziegler näherte sich dem Mann, die Waffe auf ihn gerichtet. Sie beugte sich zu ihm herunter. Ein großer roter Fleck an der Schulter dehnte sich rasch aus. Er lebte, aber er stand unter Schock. Über ihr Walkie-Talkie machte sie Meldung, dann richtete sie sich auf.
    Als Servaz, Pujol und Simeoni nachrückten, entdeckten sie hinter der Statue eine Tür, die auf eine abwärtsführende Treppe ging.
    »Da lang«, sagte Pujol.
    Eine weiße Treppe. Weißer Marmor. Eine Wendeltreppe, die sich ins Innere des riesigen Gebäudes hineinbohrte. Ziegler stieg als Erste hinunter, die Waffe im Anschlag. Plötzlich knallte es, und sie suchte wieder weiter oben Deckung.
    »Verdammt! Da unten ist noch ein Schütze!«
    Sie sahen, wie sie etwas von ihrem Gürtel löste. Servaz wusste sofort, was es war.
     
    Otto sah den schwarzen Zylinder wie einen Tennisball die Stufen am Fuß der Treppe hinunterhüpfen und dann über den Boden auf sich zurollen. Klack-klack-klack … Er begriff zu spät …
Eine Schockgranate
 … Als sie explodierte, legte ein blendender Lichtblitz von mehreren Millionen Candela buchstäblich sein Sehvermögen lahm. Dann folgte ein furchtbarer Knall, der den ganzen Saal erschütterte, und eine Schockwelle, die ihm durch den Körper fuhr und seine Ohren betäubte. Der Raum schien sich um ihn zu drehen. Er verlor das Gleichgewicht.
    Als er wieder zu sich kam, tauchten in seinem Gesichtsfeld zwei Gestalten auf. Er erhielt einen Fußtritt an den Kiefer und ließ seine Waffe fallen, dann wurde er auf den Bauch gedreht, und er spürte, wie sich der kalte Stahl der Handschellen um seine Gelenke schloss. Und da sah er die Flammen. Sie versengten jetzt den Sarkophag. Sein Chef war verschwunden. Otto leistete keinen Widerstand. Als sehr junger Mann hatte er sich in den 1960 er Jahren als Söldner in Afrika verdingt und die Greuel der postkolonialen Kriege miterlebt. Er hatte gefoltert und war gefoltert worden. Dann war er in den Dienst von Henri Lombard getreten, einem Mann, der genauso hart war wie er, und diente schließlich dessen Sohn. Er war nicht leicht zu beeindrucken.
    »Verpisst euch doch!«, sagte er schlicht und ergreifend.
     
    Die Hitze des Flammenmeers brannte ihnen im Gesicht. Die Flammen schossen in der Mitte des Raumes empor und schwärzten die hohe Decke. Bald schon würden sie nicht mehr atmen können.
    »Pujol und Simeoni«, stieß Ziegler hervor, während sie auf die Treppe zeigte, »schafft ihn raus!«
    Sie wandte sich zu Servaz um, der das lichterloh brennende Podest betrachtete. Das Feuer verzehrte den Körper im Sarg, aber sie hatten gerade noch einen Blick auf das von langen blonden Haaren gerahmte Mädchengesicht erhaschen können.
    »Herrgott!«, keuchte Ziegler.
    »Ich war an ihrem Grab auf dem Friedhof«, sagte Servaz.
    »Dann muss es leer sein. Wie konnten sie sie so

Weitere Kostenlose Bücher