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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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vorbei, und Servaz erblickte hinter den Zäunen weitläufige rechteckige Koppeln mit zahlreichen Hindernissen, ein langgestrecktes Gebäude, in dem die Boxen untergebracht waren, einen Paddock sowie ein recht imposantes Gebäude, in dem möglicherweise eine Reitbahn untergebracht war. Davor stand ein Kastenwagen der Gendarmerie.
    »Hübsche Anlage«, sagte Ziegler beim Aussteigen aus dem Wagen. Sie ließ den Blick über die Koppeln schweifen. Drei Bahnen, eine davon für das Hindernisspringen, eine für das Dressurreiten und vor allem, dort, im Hintergrund, eine Galopprennbahn.
    Ein Gendarm kam ihnen entgegen. Servaz und Ziegler folgten ihm. Sie wurden von einem aufgeregten Gewieher und Hufgetrappel begrüßt, als spürten die Pferde, dass etwas im Gange war. Kalter Schweiß strömte Servaz über den Rücken. In jüngeren Jahren hatte er es mit dem Reiten versucht. Ein bitterer Misserfolg. Die Pferde machten ihm Angst. Ebenso wie hohe Geschwindigkeit, große Höhe oder auch allzu große Menschenmengen. Ganz am Ende der Boxen entdeckten sie ein gelbes Absperrband mit der Aufschrift »Gendarmerie«, das etwa zwei Meter seitlich des Gebäudes aufgespannt worden war. Sie stapften durch den Schnee um das Band herum. Marchand und Capitaine Maillard erwarteten sie bereits mit zwei weiteren Gendarmen, aber außerhalb des Bereichs, der von dem Kunststoffband abgegrenzt wurde. Im Schatten der Backsteinmauer lag ein großer Schneehaufen. Servaz betrachtete ihn eine Zeitlang, ehe ihm mehrere braune Flecken auffielen. Ihn schauderte, als er begriff, dass zwei dieser Flecken die Ohren eines Pferdes waren und der dritte ein Auge mit geschlossenem Lid. Maillard und seine Männer hatten gute Arbeit geleistet: Sobald sie ahnten, was sie da finden würden, hatten sie den Bereich abgesperrt, ohne sich dem Haufen weiter zu nähern. Der Schnee war mit Sicherheit schon vor ihrer Ankunft festgetreten worden, vor allem natürlich von den Schritten desjenigen, der den Kopf gefunden hatte, aber sie hatten sorgsam darauf geachtet, nicht auch noch ihre Schuhabdrücke zu hinterlassen. Die Kriminaltechniker waren noch nicht da. Niemand würde den Bereich betreten, solange sie ihre Arbeit noch nicht beendet hatten.
    »Wer hat ihn entdeckt?«, fragte Ziegler.
    »Das war ich«, sagte Marchand. »Heute Morgen, als ich an den Boxen vorbeiging, habe ich im Schnee Fußspuren entdeckt, die um das Gebäude herumführten. Ich bin ihnen gefolgt, und ich habe den Haufen entdeckt. Mir war sofort klar, worum es sich handelt.«
    »Sie sind ihnen gefolgt?«, fragte Ziegler.
    »Ja, aber angesichts der Umstände habe ich sofort an Sie gedacht: Ich habe sorgfältig vermieden, darauf herumzutrampeln, und habe gut Abstand davon gehalten.«
    Servaz’ Aufmerksamkeit wuchs.
    »Sie wollen damit sagen, dass die Spuren unverändert geblieben sind, dass niemand darauf herumgetreten ist?«
    »Ich habe meinen Bediensteten verboten, sich dem Bereich zu nähern und durch den Schnee zu stapfen«, antwortete der Verwalter. »Es gibt hier nur zwei Arten von Spuren: meine und die von dem Mistkerl, der mein Pferd geköpft hat.«
    »Wenn ich es wagen würde, würde ich Sie umarmen, Monsieur Marchand«, erklärte Ziegler.
    Servaz sah, wie der alte Gestütsverwalter rot wurde, und er lächelte. Sie kehrten um und blickten über das gelbe Band.
    »Da«, sagte Marchand, während er auf die Spuren an der Mauer zeigte, die so deutlich waren, wie sie sich Techniker der Spurensicherung nur wünschen konnten. »Das da sind seine, meine sind hier.«
    Marchand hatte gut einen Meter Abstand zwischen seinen Schritten und denen des anderen gelassen. Zu keinem Zeitpunkt kreuzten sich ihre Spuren. Allerdings hatte er nicht der Versuchung widerstanden, bis zum Haufen heranzugehen, wie seine Schuhabdrücke belegten.
    »Sie haben den Haufen nicht angerührt?«, fragte ihn Ziegler, während er den Spuren mit den Augen bis zu der Stelle folgte, wo sie endeten.
    Er senkte den Kopf.
    »Doch. Ich habe die Ohren und das Auge freigelegt. Wie ich bereits Ihren Kollegen sagte, hätte ich ihn beinahe ganz ausgegraben – aber dann hab ich nachgedacht, und ich habe gerade noch rechtzeitig aufgehört.«
    »Das war gut so, Monsieur Marchand«, lobte ihn Ziegler.
    Marchand sah sie mit einem stumpfen Blick an, in dem Angst und Unverständnis zu lesen waren.
    »Was muss das für ein Mensch sein, der einem Pferd so etwas antut? In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Sind wir alle dabei, den Verstand zu

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