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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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verlieren?«
    »Wahnsinn ist ansteckend«, antwortete Servaz. »Wie die Grippe. Das hätten die Psychiater schon längst erkennen müssen.«
    »Ansteckend?«, fragte Marchand verwirrt.
    »Anders als die Grippe springt sie nicht von einem Menschen auf den anderen über«, erläuterte Servaz, »sondern von einer Bevölkerungsgruppe auf die andere. Sie infiziert eine ganze Generation. Die Malaria wird von einer Fliege übertragen. Der Wahnsinn vornehmlich von den Medien.«
    Marchand und Ziegler sahen ihn verdutzt an. Servaz winkte kurz ab, als wollte er sagen: »Achtet nicht auf mich«, und entfernte sich. Irène Ziegler sah auf ihre Uhr: 9 : 43  Uhr. Sie betrachtete die Sonne, die über den Bäumen aufflammte.
    »Verflixt! Wo bleiben sie denn? Bald wird der Schnee schmelzen.«
    Tatsächlich war die Sonne weitergewandert, und ein Teil der Spuren, der bei ihrer Ankunft im Schatten gelegen hatte, war jetzt den Sonnenstrahlen ausgesetzt. Es war noch so kalt, dass der Schnee nicht schmolz, aber lange würde es nicht mehr dauern. Endlich war vom Wald her eine Sirene zu hören. Eine Minute später sahen sie den Laborwagen der Kriminaltechnik auf dem Hof vorfahren.
     
    Die drei Mann von der Spurensicherung brauchten mehr als eine Stunde, um den Fundort zu fotografieren und zu filmen, um Elastomer-Abgüsse der Sohlenabdrücke zu machen, um an den Stellen, wo der unbekannte Besucher gegangen war, Schneeproben zu nehmen und, endlich, um langsam den Pferdekopf freizulegen, während sie zugleich weiterhin überall in dem abgesperrten Bereich und außerhalb davon Proben entnahmen und Fotos machten. Ziegler notierte in einem Spiralbuch peinlich genau die Befunde sämtlicher Etappen der Spurensicherung und sämtliche Kommentare der Techniker.
    Während dieser Zeit trottete Servaz an einem von Brombeergestrüpp umrankten Bach etwa zehn Meter von der Fundstelle auf und ab und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Doch dann trat er zu den Technikern, um ihnen schweigend bei ihrer Arbeit zuzusehen. Allerdings blieb er außerhalb des abgesperrten Bereichs. Ein Gendarm brachte ihm aus einer Thermoskanne eine Tasse Kaffee.
    Bei jedem Indiz und jeder Spur, die fotografiert werden sollte, war ein gelber Plastikreiter mit einer schwarzen Ziffer auf den Schnee gelegt worden. Ein Kriminaltechniker beugte sich dicht über eine der Spuren und fotografierte sie mit Blitzlicht, mal mit größerer, mal mit kleinerer Tiefenschärfe. Ein kleines Lineal aus schwarzem PVC lag auf dem Schnee in der Nähe der Fußspur. Ein zweiter Mann kam mit einem kleinen Koffer, und Servaz erkannte darin ein Set zum Abnehmen von Fußabdrücken. Der erste Techniker kam dem zweiten zu Hilfe, denn sie mussten sich beeilen, da der Schnee bereits an mehreren Stellen schmolz. Während sie damit zugange waren, legte der dritte Mann den Pferdekopf frei. Da die Rückwand des Gebäudes nach Norden ging, ließ er sich, anders als seine Kollegen, Zeit. Servaz schien es, als würde er der geduldigen Arbeit eines Archäologen beiwohnen, der ein besonders wertvolles Artefakt freilegte. Schließlich kam der ganze Kopf zum Vorschein. Obwohl Servaz nichts davon verstand, hätte er gewettet, dass Freedom auch nach dem Urteil eines Fachmanns ein prächtiges Tier gewesen war. Mit seinen geschlossenen Augen schien es zu schlafen.
    »Er wurde wohl betäubt, ehe er getötet und enthauptet wurde«, bemerkte Marchand. »Wenn das tatsächlich so war, hat er wenigstens nicht gelitten. Und das würde erklären, warum niemand etwas gehört hat.«
    Servaz wechselte einen Blick mit Ziegler: Die toxikologische Untersuchung würde es bestätigen, aber es war tatsächlich eine allererste kleine Antwort auf ihre Fragen. Hinter dem Absperrband entnahmen die Techniker mit Kornzangen die letzten Proben und versiegelten sie in Röhrchen. Servaz wusste, dass weniger als sieben Prozent der Kriminalfälle anhand der Sachbeweise, die am Tatort gefunden wurden, aufgeklärt wurden. Dennoch bewunderte er die Geduld und die Sorgfalt dieser Männer.
    Als sie fertig waren, betrat er als Erstes den abgesperrten Bereich und beugte sich über die Spuren.
    »Schuhgröße 45 oder 46 «, schätzte er. »Mit 99- prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Mann.«
    »Laut Aussage des Technikers handelt es sich um Wanderschuhe«, sagte Ziegler. »Und der Typ, der sie trägt, belastet ungewöhnlich stark den Absatz und die Fußkante. Aber das bemerkt nur ein Orthopäde. Außerdem gibt es charakteristische Fehler – da, da und

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