Schwarzer Schmetterling
einer externen Klientel Pflege, Fohlenaufzucht und Coaching an.«
»Wie viele Boxen?«
» Zweiunddreißig . Außerdem eine Box zum Fohlen von vierzig Quadratmetern mit Videoüberwachung. Und außerdem gynäkologische Untersuchungsräume, medizinische Behandlungsräume, zwei offene Stallhaltungen, ein Zentrum für künstliche Befruchtungen, zwei Reithallen mit professionellem Hindernisparcours, acht Hektar Paddocks, Turnierplätze, Koppeln mit Unterständen und eine Galopprennbahn.«
»Wirklich sehr ansprechend«, bestätigte Ziegler.
»Und nachts überwachen Sie das alles wirklich nur zu zweit?«
»Es gibt eine Alarmanlage, und alle Boxen und Gebäude sind verriegelt, denn diese Pferde sind sehr kostbar.«
»Und Sie haben nichts gehört?«
»Nein, nichts.«
»Hatten Sie vielleicht Schlaftabletten genommen?«
Marchand warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
»Wir sind hier nicht in der Stadt. Wir schlafen gut. Wir leben so, wie man leben sollte: im Einklang mit der Natur.«
»Nicht das kleinste verdächtige Geräusch? Irgendetwas Ungewöhnliches, wovon Sie mitten in der Nacht aufgewacht wären? Versuchen Sie, sich zu erinnern.«
»Ich hab schon darüber nachgedacht. Wenn es so gewesen wäre, hätte ich es Ihnen gesagt. An einem Ort wie diesem gibt es immer Geräusche: Die Tiere bewegen sich, das Holz knackt. Mit dem Wald direkt daneben ist es nie völlig still. Ich achte aber schon lange nicht mehr darauf. Und dann sind da auch noch Cisco und Enzo – sie hätten gebellt.«
»Hunde«, sagte Ziegler. »Welche Rasse?«
»Korsischer Hirtenhund.«
»Ich sehe sie nicht. Wo sind sie?«
»Wir haben sie eingesperrt.«
Zwei Hunde und eine Alarmanlage.
Und zwei Männer vor Ort …
Wie schwer war ein Pferd? Er versuchte, sich an das zu erinnern, was Ziegler gesagt hatte: etwa zweihundert Kilo. Die Eindringlinge konnten unmöglich zu Fuß gekommen und wieder gegangen sein. Wie konnten sie ein Pferd töten, enthaupten, den Kadaver in ein Fahrzeug laden und wieder losfahren, ohne dass es irgendjemand bemerkte, ohne die Hunde oder die Bewohner zu wecken? Und ohne Alarm auszulösen? Servaz war völlig ratlos. Auch die Wachleute des Kraftwerks hatten nichts gehört. Das war schlicht und ergreifend unmöglich. Er wandte sich zu Irène Ziegler um.
»Könnte ein Tierarzt den Hunden Blut abnehmen? Laufen sie nachts frei herum, oder sind sie in einem Hundezwinger eingesperrt?«, fragte er Marchand.
»Sie sind draußen, aber an einer langen Kette. Niemand kann bis zu den Boxen vordringen, ohne von ihnen attackiert zu werden. Außerdem hätte mich ihr Gebell geweckt. Glauben Sie etwa, dass man sie betäubt hat? Das würde mich wundern, denn sie waren gestern Morgen putzmunter und verhielten sich völlig normal.«
»Die toxikologische Analyse wird das bestätigen«, antwortete Servaz, während er sich bereits fragte, wieso das Pferd betäubt wurde und die Hunde nicht.
Marchands Büro war ein zwischen Sattelraum und den Ställen eingezwängtes Kabuff voller Regale, die mit Trophäen beladen waren. Das Fenster ging auf den Wald und auf verschneite Wiesen, die von einem komplexen Gefüge von Zäunen und Hecken begrenzt wurden. Auf seinem Schreibtisch befanden sich ein Notebook, eine Lampe und ein Wust von Rechnungen, Ordnern und Pferdebüchern.
Während der letzten halben Stunde hatten Ziegler und Servaz einen Rundgang durch die Anlage gemacht und die Box von Freedom in Augenschein genommen, wo mittlerweile bereits die Kriminaltechniker am Werk waren. Die Tür zur Box war aufgebrochen worden, der Boden war voller Blut. Ganz offensichtlich war Freedom an Ort und Stelle enthauptet worden, vermutlich mit einer Säge, wahrscheinlich, nachdem er betäubt worden war. Servaz wandte sich an den Stallknecht.
»Haben Sie gestern Nacht nichts gehört?«
»Ich hab geschlafen«, antwortete der großgewachsene alte Mann.
Er war unrasiert. Er schien so alt zu sein, dass er schon längst im Ruhestand hätte sein können. Am Kinn und auf den hohlen Wangen standen ihm graue Haarstoppeln, die an die Stacheln eines Stachelschweins erinnerten.
»Nicht das leiseste Geräusch? Gar nichts?«
»In einem Pferdestall gibt es immer Geräusche«, sagte er, wie Marchand vor ihm, aber im Gegensatz zu den Antworten der beiden Wachleute hörte sich das nicht nach einer zurechtgelegten Antwort an.
»Arbeiten Sie schon lange für Monsieur Lombard?«
»Schon immer. Ich habe schon für seinen Vater gearbeitet.«
Er hatte blutunterlaufene Augen,
Weitere Kostenlose Bücher