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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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von Toulouse auf der einen Seite und einer gläsernen Zwischenwand, die sie vom Flur trennte, auf der anderen Seite waren die Jalousien heruntergelassen. Der zweite Schreibtisch, der der neuen Kollegin Samira Cheung gehörte, war leer.
    »Und die Kids?«, fragte er.
    »Der Älteste wurde in Untersuchungshaft genommen. Wie gesagt, die beiden anderen wurden freigelassen.«
    Servaz nickte.
    »Ich hab mit dem Vater von einem der beiden gesprochen«, fügte sein Stellvertreter hinzu, »er ist Versicherungsangestellter. Er kann sich das nicht erklären. Er ist völlig durch den Wind. Gleichzeitig ist er unglaublich aufgebraust, als ich auf das Opfer zu sprechen kam: ›Dieser Kerl war ein Landstreicher. Den ganzen Tag besoffen! Sie werden doch wohl nicht wegen eines Obdachlosen Kinder ins Gefängnis stecken?‹«
    »Das hat er tatsächlich gesagt?«
    »Wortwörtlich. Er hat mich in seinem großen Büro empfangen. Als Erstes hat er mir gesagt: ›Mein Sohn hat nichts getan. So ist er nicht erzogen. Die anderen waren es. Dieser Jérôme hat ihn dazu verleitet, sein Vater ist arbeitslos.‹ Er hat dieses Wort so ausgesprochen, als ob für ihn Arbeitslosigkeit das Gleiche ist wie Drogenhandel oder Pädophilie.«
    »Welcher ist sein Sohn?«
    »Der Junge namens Clément.«
    Der Rädelsführer,
dachte Servaz. Wie der Vater, so der Sohn. Und die gleiche Verachtung für die anderen.
    »Ihr Anwalt hat sich mit dem Richter in Verbindung gesetzt«, fuhr Espérandieu fort. »Ihre Strategie liegt auf der Hand: Sie werden den Ältesten belasten.«
    »Den Sohn des Arbeitslosen.«
    »Ja.«
    »Das schwächste Glied.«
    »Bei solchen Leuten krieg ich das Kotzen«, sagte Espérandieu.
    Er hatte eine schleppende, jugendliche Stimme. Deshalb und wegen seiner etwas affektierten Art hatten ihn einige Kollegen im Verdacht, sich nicht nur für Frauen zu interessieren, und seien sie auch so schön wie seine eigene. Servaz selbst hatte sich dieselbe Frage gestellt, als er seinen Dienst in der Abteilung antrat. Außerdem hatte Vincent Espérandieu auch einen Modegeschmack, bei dem sich einigen Machos der Mordkommission die Haare sträubten. Denen, für die ein Polizist, der diesen Namen verdiente, eben ein echter Mann sein und das auch vorzeigen musste.
    Das Leben hatte es mit Espérandieu gut gemeint. Mit dreißig Jahren hatte er eine gute Partie gemacht, und er hatte eine sehr hübsche fünfjährige Tochter – deren Lächeln den Bildschirm seines Computers erhellte. Servaz hatte sich schnell mit seinem Stellvertreter angefreundet, und er war in den zwei Jahren, seit dieser zur Mordkommission gestoßen war, ein halbes Dutzend Mal von seinem Untergebenen zum Essen eingeladen worden. Jedes Mal war er der Liebenswürdigkeit und dem Esprit von Madame und Mademoiselle Espérandieu erlegen: Beide hätten in jeder Illustrierten Werbung für Zahnpasta, Reisen oder Familienurlaub machen können.
    Und dann war es zwischen dem Neuankömmling und den älteren Kollegen zu einem Zwischenfall gekommen; die Aussicht, ihren Alltag mit einem möglicherweise bisexuellen jungen Kollegen zu teilen, schien in ihnen Mordgelüste zu wecken. Servaz hatte eingreifen müssen. Das hatte ihm einige dauerhafte Feindschaften eingetragen. Da waren insbesondere zwei Typen, zwei ebenso hartgesottene wie bornierte Spießer-Machos, die ihm diese Zurechtweisung nie verzeihen würden. Einen von ihnen hatte er während der Aussprache ein bisschen hart rangenommen. Aber Servaz hatte sich auch die Anerkennung und definitive Wertschätzung von Espérandieu erworben. Er hatte ihn sogar gebeten, Pate ihres nächsten Kindes zu werden – denn Charlène Espérandieu war erneut schwanger.
    »Ein Journalist von France 3 und mehrere Pressereporter haben angerufen. Sie wollten wissen, ob wir Beweise gegen die Burschen haben. Aber vor allem wollten sie wissen, ob wir sie geschlagen haben.
Gerüchte über gewalttätige Übergriffe der Polizei auf Minderjährige
 – so haben sie sich ausgedrückt. Wie üblich macht so was bei ihnen die Runde.
Copy & Paste,
das ist alles, was sie können. Aber irgendjemand muss das Gerücht in die Welt gesetzt haben.«
    Servaz runzelte die Stirn. Wenn die Journalisten erst mal Feuer gefangen hätten, würde das Telefon nicht mehr stillstehen. Es gäbe Erklärungen, Gegenerklärungen, Pressekonferenzen – und ein Minister würde vor die Kameras treten und versprechen, »alles restlos aufzuklären«. Und selbst wenn man bewiesen hätte, dass alles

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