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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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und geplatzte kleine Äderchen zeichneten ein feines, bläulich rotes Netz unter die allzu dünne Haut seiner Nase und seiner Wangen. Servaz hätte darauf wetten können, dass er zwar keine Schlaftabletten nahm, aber dafür immer ein anderes, flüssiges Schlafmittel griffbereit hatte.
    »Wie ist er als Chef?«
    Der Mann heftete seine geröteten Augen auf Servaz.
    »Man bekommt ihn nicht oft zu Gesicht, aber er ist ein guter Chef. Und er ist ein echter Pferdenarr. Freedom war sein Liebling. Hier geboren. Ein königlicher Stammbaum. Er war verrückt nach diesem Pferd. Ganz wie Hermine.«
    Der alte Mann senkte den Kopf. Servaz sah, dass sich die junge Frau neben ihm die Tränen verkniff.
    »Glauben Sie, dass jemand mit Monsieur Lombard noch eine Rechnung offen hatte?«
    Wieder senkte der Mann den Kopf.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Haben Sie nie von irgendwelchen Drohungen gehört?«
    »Nein.«
    »Monsieur Lombard hat viele Feinde«, mischte sich Marchand ein.
    Servaz und Ziegler wandten sich dem Verwalter zu.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine es so, wie ich es gesagt habe.«
    »Kennen Sie welche?«
    »Ich interessiere mich nicht für Erics Geschäfte. Mich interessieren nur die Pferde.«
    »Sie haben von ›Feinden‹ gesprochen – das ist kein gerade harmloses Wort.«
    »Das sagt man halt so.«
    »Und weiter?«
    »Erics Geschäfte sind immer mit gewissen Spannungen verbunden.«
    »Sie drücken sich unheimlich vage aus«, bohrte Servaz weiter. »Machen Sie das mit Absicht?«
    »Vergessen Sie meine Bemerkung«, antwortete der Verwalter. »Das war einfach nur so dahingesagt. Ich weiß nichts über die Geschäfte von Monsieur Lombard.«
    Servaz glaubte ihm kein Wort. Trotzdem bedankte er sich. Beim Verlassen des Gebäudes war er wie geblendet von dem blauen Himmel und dem Schnee, der in der Sonne dahinschmolz. Die dampfenden Köpfe der Pferde in ihren Boxen, andere, die gerade über Hindernisse sprangen – Servaz blieb stehen, um sich innerlich zu sammeln, das Gesicht in der Sonne …
    Zwei Hunde und eine Alarmanlage. Und zwei Männer vor Ort.
    Und niemand hatte irgendetwas gesehen oder gehört – weder im Kraftwerk noch hier … unmöglich … absurd …
    Je mehr Details er in Erfahrung brachte, umso größere Ausmaße nahm diese Tötung eines Pferdes in seinem Kopf an. Er kam sich vor wie ein Rechtsmediziner, der zuerst einen Finger freilegte, dann eine Hand, dann einen Arm und schließlich den gesamten Leichnam. Seine Besorgnis wuchs. Alles in dieser Geschichte war ungewöhnlich. Und unverständlich. Wie ein Tier witterte Servaz instinktiv die Gefahr. Er merkte, dass er trotz der Sonne zitterte.

7
    V incent Espérandieu hob eine Braue, als er Servaz mit krebsrotem Gesicht in sein Büro am Boulevard Embouchure treten sah.
    »Du hast einen Sonnenbrand«, stellte er fest.
    »Das ist die Nachwirkung«, antwortete Servaz zur Begrüßung. »Ich bin in einen Hubschrauber gestiegen.«
    »Du, in einen Hubschrauber?«
    Espérandieu wusste, dass sein Chef weder Geschwindigkeit noch Höhe mochte: Ab hundertdreißig Stundenkilometern wurde er ganz bleich und sank auf seinem Sitz zusammen.
    »Hast du etwas gegen Kopfweh?«
    Vincent Espérandieu öffnete eine Schublade.
    »Aspirin? Paracetamol? Ibuprofen?«
    »Irgendwas Sprudelndes.«
    Sein Stellvertreter holte eine kleine Flasche Mineralwasser und ein Glas hervor und hielt sie ihm hin. Er legte eine große runde Tablette vor Servaz auf den Tisch und schluckte dann selbst mit etwas Wasser eine Gelatinekapsel. Durch die offene Tür stieß jemand ein perfekt imitiertes Wiehern aus; man hörte schallendes Gelächter.
    »Idioten!«, zischte Servaz.
    »Trotzdem haben sie nicht ganz unrecht: die Kripo für ein Pferd …«
    »Ein Pferd, das Eric Lombard gehört.«
    »Ach so.«
    »Und wenn du es gesehen hättest, würdest du dich auch fragen, ob die, die das getan haben, nicht noch zu ganz anderem fähig sind.«
    »Du sagst ›die‹? Glaubst du, dass es mehrere sind?«
    Servaz warf einen zerstreuten Blick auf das hinreißende blonde Mädchen, das auf dem Bildschirm von Espérandieus Rechner beim Lächeln alle Zähne zeigte und wie ein Clown einen großen Stern um ihr linkes Auge gemalt hatte.
    »Könntest du etwa ganz allein mitten in der Nacht zweihundert Kilo Fleisch herumkutschieren und es in drei Meter Höhe aufhängen?«
    »Das ist ein Argument«, räumte sein Stellvertreter ein.
    Servaz zuckte mit den Schultern und sah sich um. Vor dem grauen Himmel und den Dächern

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