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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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keine Spiele gefunden …«
    »Als ob jemand alles aufgeräumt hätte«, sagte Espérandieu.
    »Der Vater«, meinte Servaz.
    »Ja«, antwortete seine Stellvertreterin, »wir verdächtigen ihn, dass er diese Spiele hat verschwinden lassen, um ein möglichst makelloses Bild von seinem Sohn zu zeichnen und die beiden anderen besser belasten zu können.«
    »Habt ihr die Zimmer versiegelt?«
    »Ja, aber der Anwalt der Familie hat Rechtsmittel dagegen eingelegt, um zu erreichen, dass sie wieder geöffnet werden, mit der Begründung, es handele sich nicht um den Tatort.«
    »Hatten diese Burschen Computer in ihren Zimmern?«
    »Ja, wir haben sie untersucht, aber irgendwer hat die Daten sehr gründlich gelöscht. Wir haben die Eltern aufgefordert, nichts anzurühren. Wir müssen noch mal mit einem Techniker kommen, um die Festplatten zum Reden zu bringen.«
    »Wir können Vorsatz nachweisen«, meldete sich Samira zu Wort, »wenn wir beweisen können, dass die Jungs ihr Verbrechen geplant haben. Dann wäre die These von einem Unfall sofort vom Tisch.«
    Servaz betrachtete sie mit fragender Miene.
    »Wie das?«
    »Nun, bis jetzt haben wir keine Beweise dafür, dass sie den Mann vorsätzlich töten wollten. Das Opfer hatte einen erhöhten Blutalkoholspiegel. Die Verteidiger werden vielleicht das Ertrinken als Haupttodesursache geltend machen. Das wird vom Obduktionsbefund abhängen.«
    »Ertrinken in fünfzig Zentimeter tiefem Wasser?«
    »Warum nicht? Das hat es schon gegeben.«
    Servaz dachte einen Moment lang nach: Samira hatte recht.
    »Und die Fingerabdrücke?«, sagte er.
    »Auf die warten wir noch.«
    Sie setzte die Absätze ihrer Stiefel auf den Boden und stand auf.
    »Ich muss los. Ich hab einen Termin beim Richter.«
    »Gute Mitarbeiterin, oder?«, sagte Espérandieu, als sie aus dem Zimmer gegangen war.
    Servaz nickte lächelnd.
    »Wie es scheint, schätzt du sie.«
    »Sie arbeitet gut, sie hält sich an die Regeln, und sie will was lernen.«
    Servaz nickte zustimmend mit dem Kopf. Er hatte ohne Bedenken den Großteil der Ermittlungen in dieser Sache an Vincent und Samira übertragen. Sie teilten sich dasselbe Büro, sie hatten durchaus einiges gemeinsam (unter anderem ihre Vorliebe für gewisse Modestile), und sie schienen so gut miteinander auszukommen, wie man es von zwei Polizisten mit ausgeprägtem Charakter nur erwarten konnte.
    »Wir veranstalten am Samstag eine kleine Party«, sagte Vincent. »Du bist herzlich eingeladen. Charlène hat darauf bestanden.«
    Servaz dachte an die verstörende Schönheit von Vincents Frau. Als er sie zum letzten Mal gesehen hatte, trug sie eine figurbetonte rote Abendrobe, ihr langes fuchsrotes Haar züngelte flammengleich im Licht, und er hatte gespürt, wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Charlène und Vincent waren ausgezeichnete Gastgeber gewesen, er hatte einen wunderbaren Abend verbracht, aber trotzdem hatte er nicht vor, sich ihrem Freundeskreis anzuschließen. Er schlug die Einladung unter dem Vorwand aus, er hätte bereits seiner Tochter versprochen, den Abend mit ihr zu verbringen.
    »Ich habe die Akte der Jungs auf deinen Schreibtisch gelegt!«, rief sein Stellvertreter noch kurz, als er das Zimmer verließ.
    In seinem Büro lud Servaz sein Handy und schaltete seinen Rechner ein. Zwei Sekunden später signalisierte sein Handy den Empfang einer SMS , und er entriegelte es. Widerwillig. Servaz sah im Handy gewissermaßen die höchste Stufe der technologischen Entfremdung der Menschheit. Aber Margot hatte ihn genötigt, sich eines zuzulegen, nachdem er mit halbstündiger Verspätung zu einem ihrer Rendezvous erschienen war.
     
    Papa i b’s. Hast du Samstag-nmit Zeit? Lg.
     
    Was war das für eine Sprache?,
fragte er sich. Verziehen wir uns hier gerade wieder auf die Bäume, nachdem wir mühsam heruntergestiegen sind? Er hatte plötzlich den Eindruck, den Kompass verloren zu haben. So wirkte die heutige Welt auf ihn: Wenn ihn eine Zeitmaschine direkt ins 18 . Jahrhundert verfrachtet hätte, hätte er sich auch nicht fremder gefühlt. Er wählte eine Nummer aus der Kontaktliste und hörte wenig später vor einer Geräuschkulisse wie aus der Musikhölle die Stimme seiner Tochter, die im Wesentlichen erklärte, sie werde jeden, der eine Nachricht hinterlasse, zurückrufen.
    Anschließend fiel sein Blick auf die Akte über den Obdachlosen. Der Verstand sagte ihm, dass er sich unverzüglich darin vertiefen sollte. Das war er diesem armen Kerl schuldig, dessen ohnehin

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