Schwarzer Schmetterling
höre auf.«
»Neeeeiiiiiiinnn …«
»Gehen wir. Wir werden beobachtet.«
Es war dunkel geworden. Ziegler wandte den Kopf um und entdeckte ihrerseits Lombard hinter dem Fenster. Allein.
Er ließ den Motor an und wendete in der Allee. Wie zuvor öffnete sich das Gitter vor ihnen. Servaz warf einen Blick in den Rückspiegel. Er glaubte zu sehen, wie sich Lombards Silhouette vom Fenster entfernte, das selbst kleiner zu werden schien.
»Und die Fingerabdrücke, die anderen Proben?«, fragte er.
»Im Moment nichts Beweiskräftiges. Aber sie sind noch lange nicht fertig. Es gibt Hunderte von Abdrücken und Spuren. Das ist Arbeit für etliche Tage. Bis jetzt scheinen alle von Mitarbeitern zu stammen. Der Täter hat offensichtlich Handschuhe getragen.«
»Aber er hat ein bisschen Speichel auf der Scheibe hinterlassen.«
»Glauben Sie, dass es eine Art Botschaft sein sollte?«
Sie wandte die Augen kurz von der Straße ab, um ihn anzusehen.
»Eine Provokation … Wer weiß?«, sagte er. »In dieser Sache lässt sich nichts ausschließen.«
»Oder ein ganz blöder Zufall. Das passiert öfter, als man glaubt, es genügt schon, dass er in der Nähe der Scheibe geniest hat.«
»Was wissen Sie über diesen Hirtmann?«
Ziegler stellte die Scheibenwischer an: Die Flocken fielen immer dichter vom dunklen Himmel.
»Er ist ein methodisch denkender Mörder. Im Unterschied zu anderen Insassen der Klinik ist er nicht psychotisch, sondern ein perverser Psychopath, ein besonders gefährlicher, intelligenter Serienkiller. Er wurde für den bestialischen Mord an seiner Frau und deren Geliebten verurteilt, aber er wird verdächtigt, noch beinahe vierzig weitere Personen umgebracht zu haben. Ausschließlich Frauen. In der Schweiz, in Savoyen, in Norditalien, in Österreich … fünf Länder insgesamt. Allerdings hat er keine dieser Taten gestanden. Man konnte ihm nichts nachweisen. Selbst bei dem Mord an seiner Frau ist man ihm nur dank einer außergewöhnlichen Verkettung von Umständen auf die Schliche gekommen.«
»Sie scheinen den Fall gut zu kennen.«
»Als er vor sechzehn Monaten ins Institut Wargnier überstellt wurde, habe ich mich, wenn ich sonst nichts zu tun hatte, ein wenig für ihn interessiert. Damals hat die Presse darüber berichtet. Aber ich bin ihm nie begegnet.«
»Jedenfalls ändert das alles. Wir müssen jetzt von der Hypothese ausgehen, dass der Täter, den wir suchen, Hirtmann ist. Auch wenn das auf den ersten Blick ausgeschlossen scheint. Was wissen wir über ihn? Wie sehen die Umstände seiner Sicherungsverwahrung in der Klinik aus? Diese Fragen haben für uns jetzt Vorrang.«
Sie nickte beifällig, ohne den Blick von der Straße abzuwenden.
»Wir müssen uns auch überlegen, was wir sagen«, fügte Servaz hinzu. »Welche Fragen wir ihm stellen. Wir müssen diesen Besuch vorbereiten. Ich kenne den Fall nicht so gut wie Sie, aber eines ist sicher: Hirtmann ist nicht irgendwer.«
»Es stellt sich auch die Frage, ob er womöglich Komplizen innerhalb der Klinik hatte«, gab Ziegler zu bedenken. »Und ob es Sicherheitslücken gibt.«
Servaz nickte.
»Wir müssen unbedingt eine Vorbesprechung abhalten. Die Dinge liegen jetzt plötzlich klarer, aber auch komplizierter. Wir müssen alle Aspekte des Problems erwägen, bevor wir hingehen.«
Ziegler war der gleichen Meinung. Sie würden sich vorrangig mit der Klinik und ihren Insassen beschäftigen – aber dazu hatten sie nicht alle erforderlichen Befugnisse, und sie hielten auch nicht alle Karten in der Hand.
»Am Montag soll der Psychiater aus Paris kommen«, sagte sie. »Und ich muss morgen in Bordeaux eine Pressekonferenz über den Stand der Ermittlungen abhalten. Ich werde sie doch nicht wegen eines Pferdes absagen! Ich schlage vor, wir warten bis Montag, ehe wir der Klinik einen Besuch abstatten.«
»Wenn andererseits wirklich hinter alldem Hirtmann steckt und er das Institut verlassen konnte, dann müssen wir auf alle Fälle sicherstellen, dass ihm das andere Insassen nicht gleichtun können.«
»Ich habe beim Departement in Saint-Gaudens Verstärkung für die Gendarmerie angefordert. Sie sind auf dem Weg.«
»Sämtliche Zugänge zum Institut müssen überwacht werden, sämtliche Fahrzeuge, die hinein- oder herausfahren, müssen durchsucht werden, auch die der Mitarbeiter. Und einige Teams müssen sich am Berg verstecken, um die Umgebung zu überwachen.«
Ziegler nickte.
»Die Verstärkung wird heute Nacht eintreffen. Ich habe auch
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