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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Streit …«
    »Nein.«
    »Wo haben Sie sich getroffen?«
    »Bei Perrault.«
    »Und danach?«
    »Gilles und ich sind, wie immer, zusammen nach Hause gegangen. Dann haben wir uns getrennt, und ich bin zu Bett gegangen.«
    »Ist Ihnen unterwegs nichts aufgefallen? Ist Ihnen niemand begegnet?«
    »Nein, soweit ich mich erinnere.«
    »Hat er Ihnen in letzter Zeit von irgendwelchen ungewöhnlichen Vorfällen erzählt?«, fragte Ziegler Nadine Grimm.
    »Nein.«
    »Wirkte er besorgt, beunruhigt?«
    »Nein.«
    »Hatte Ihr Mann Umgang mit Eric Lombard?«
    Grimms Frau sah sie begriffsstutzig an. Dann funkelte es kurz in ihren Augen. Sie drückte den Stummel am Geländer aus und lächelte.
    »Glauben Sie etwa, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Mord an meinem Mann und dieser Sache mit dem Pferd? Das ist doch grotesk!«
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
    Sie lachte kurz und höhnisch.
    »Wieso sollte jemand wie Lombard seine Zeit damit vergeuden, einen Versager wie meinen Mann zu frequentieren? Nein. Soweit ich weiß.«
    »Haben Sie vielleicht ein Foto von Ihrem Mann?«
    »Wozu?«
    Beinahe hätte Servaz seine Beherrschung verloren und vergessen, dass sie erst seit einigen Stunden Witwe war. Aber er nahm sich zusammen.
    »Ich brauche ein Foto für die Ermittlungen«, antwortete er. »Mehrere Fotos wären noch besser. So aktuell wie möglich.«
    Er begegnete kurz Zieglers Blick, und sie begriff:
der abgetrennte Finger.
Servaz hoffte, auf einem der Fotos wäre der Siegelring zu sehen.
    »Ich habe kein aktuelles Foto von meinem Mann. Und ich weiß nicht, wo er die anderen aufbewahrt hat. Ich werde seine Sachen durchsuchen. Noch etwas?«
    »Im Augenblick nicht«, antwortete Servaz und stand auf.
    Er war bis auf die Knochen durchgefroren, und er wollte nur noch weg von hier. Er fragte sich, ob die Witwe Grimm sie nicht absichtlich auf die Terrasse geführt hatte: um sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Angst und Kälte schnürten ihm den Magen zusammen. Denn er hatte etwas bemerkt, das ihn wie ein Blitz getroffen hatte, ein Detail, das nur ihm aufgefallen war:
Als Nadine Grimm den Arm ausstreckte, um den Stummel am Geländer auszudrücken, war der Ärmel ihres Pullis hochgerutscht … Verblüfft hatte Servaz klar und deutlich die kleinen weißen, wieder zusammengewachsenen Wundränder an ihrem Handgelenk gesehen: Diese Frau hatte versucht, sich umzubringen.
    Sobald sie wieder im Auto waren, wandte er sich zum Bürgermeister um. Während er der Witwe zuhörte, hatte sich allmählich ein Gedanke seinen Weg gebahnt.
    »Hatte Grimm eine Geliebte?«
    »Nein«, antwortete Chaperon, ohne zu zögern.
    »Sind Sie sicher?«
    Der Bürgermeister warf ihm einen befremdeten Blick zu.
    »Man kann nie hundertprozentig sicher sein. Aber was Grimm anbelangt, würde ich die Hand ins Feuer legen. Er hatte nichts zu verbergen.«
    Servaz dachte kurz über das nach, was der Bürgermeister gerade gesagt hatte.
    »Wenn es etwas gibt, was wir in unserem Beruf lernen«, sagte er, »dann dies: dass die Menschen nur selten das sind, was sie zu sein scheinen. Und dass jeder etwas zu verbergen hat.«
    Während er das sagte, blickte er in den Rückspiegel und wurde zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten Zeuge einer unerwarteten Szene: Chaperon war leichenfahl geworden,
und einen Moment lang drückte sein Blick das reinste Entsetzen aus.
     
    Diane verließ die Klinik, und der eisige Wind peitschte ihr ins Gesicht. Zum Glück trug sie ihre Daunenjacke, einen Rollkragenpullover und Pelzstiefel. Während sie den großen freien Platz überquerte, um zu ihrem Lancia zu gehen, zog sie ihre Schlüssel heraus. Sie war erleichtert, diesen Ort für einen Moment verlassen zu können. Als sie am Steuer saß, drehte sie den Schlüssel im Zündschloss und hörte das Klacken des Anlassers. Die Kontrolllampen leuchteten auf, aber sie gingen im nächsten Moment wieder aus. Sonst tat sich nichts.
Mist!
Sie versuchte es erneut. Mit dem gleichen Ergebnis.
O nein!
Sie versuchte es wieder und wieder, aber vergeblich. Nichts …
    Die Batterie,
dachte sie.
Sie ist leer.
    Oder es ist die Kälte.
    Sie fragte sich, ob ihr jemand vom Institut helfen könnte, aber eine Welle der Mutlosigkeit brach jäh über sie herein. Regungslos blieb sie hinter dem Lenkrad sitzen und betrachtete durch die Windschutzscheibe die Gebäude. Ihr Herz pochte ohne besonderen Grund. Mit einem Mal fühlte sie sich sehr weit weg von zu Hause.

12
    A n diesem Abend erhielt Servaz

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