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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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sie nicht für die Täter. Obwohl sie sich aus dem Staub gemacht haben. Das ist für Leute ihres Schlags zu subtil. Bis jetzt sind sie nur wegen Körperverletzung und banalem Schwarzhandel aufgefallen. Ein Anstreicher wird nicht von heute auf morgen zu Michelangelo. Die Proben, die in der Kabine und an der Bergstation entnommen wurden, werden uns sagen, ob sie am Tatort waren, aber ich glaube nicht. Und trotzdem verbergen sie etwas, das ist unverkennbar.«
    »Der Meinung bin ich auch«, sagte Propp. »Ich habe die Vernehmungsprotokolle eingehend gelesen. Sie haben nicht das Profil für eine solche Tat. Aber ich werde trotzdem überprüfen, ob sie keine psychiatrische Vorgeschichte haben. Es ist schon vorgekommen, dass kleine Gauner sich von heute auf morgen in blutrünstige Bestien verwandelt haben. Die menschliche Psyche ist voller Abgründe. Wir sollten nichts ausschließen.«
    Servaz nickte.
    »Da war auch noch diese Pokerpartie am Vortag. Vielleicht gab es einen Streit. Vielleicht hatte Grimm Schulden …«
    »Da ist noch eine Frage, die wir rasch klären müssen«, sagte die Staatsanwältin. »Bis jetzt hatten wir nur ein totes Pferd, wir konnten uns also Zeit lassen. Diesmal wurde ein Mensch ermordet. Und die Presse wird schon bald eine Verbindung zum Institut Wargnier herstellen. Falls durch einen dummen Zufall die Information durchsickert, dass wir die DNA von Hirtmann am Ort des ersten Verbrechens gefunden haben, werden sie über uns herfallen. Haben Sie gesehen, wie viele Journalisten draußen warten? Daher müssen wir folgende Fragen vorrangig beantworten: Sind die Sicherheitsvorkehrungen in der Klinik unzureichend? Sind die Straßensperren, die wir errichtet haben, ausreichend? Je schneller wir diese Fragen beantworten, umso besser. Ich schlage vor, dass wir dem Institut noch heute einen Besuch abstatten.«
    »Wenn wir das tun«, gab Ziegler zu bedenken, »laufen wir Gefahr, dass sich die Journalisten, die draußen rumlungern, an unsere Fersen heften. Wir sollten ihre Aufmerksamkeit vielleicht nicht unbedingt dorthin lenken.«
    Die Staatsanwältin überlegte kurz.
    »Also gut, aber wir müssen diese Fragen schnellstmöglich klären. Ich bin damit einverstanden, den Besuch auf morgen zu verschieben. Ich werde dann gleichzeitig eine Pressekonferenz abhalten, um die Journalisten abzulenken. Martin, wie wollen Sie weiter vorgehen?«
    »Capitaine Ziegler, Dr. Propp und ich werden gleich morgen, während Sie die Pressekonferenz abhalten, das Institut aufsuchen. Lieutenant Espérandieu wird bei der Obduktion zugegen sein. In der Zwischenzeit werden wir die Witwe des Apothekers vernehmen.«
    »Einverstanden. Aber verlieren wir nicht aus den Augen, dass es zwei Prioritäten gibt: a) Wir müssen herausfinden, ob Hirtmann das Institut verlassen konnte, und b) wir müssen eine Verbindung zwischen den beiden Verbrechen finden.«
     
    »Es gibt einen Gesichtspunkt, den wir nicht in Erwägung gezogen haben«, erklärte Simon Propp, als sie die Sitzung verließen.
    »Welchen?«, fragte Servaz.
    Sie gingen über den kleinen Parkplatz auf der Rückseite des Gebäudes, fern der Blicke der Journalisten. Servaz hielt seinen Schlüssel mit Fernbedienung in Richtung des Cherokee, den ein Pannendienst hier abgestellt hatte, nachdem vier neue Reifen aufgezogen worden waren. Ein paar Flocken wirbelten in der kalten Luft herum. Im Hintergrund der weiten Ebene ragten die weißen Gipfel auf, aber der Himmel darüber war tiefgrau: Es würde schon bald wieder schneien.
    »Hochmut«, antwortete der Psychologe. »Irgendjemand in diesem Tal spielt Gott. Er glaubt, er stünde über den Menschen und den Gesetzen, und er versucht, uns elende Sterbliche zu manipulieren. Dazu bedarf es einer unglaublichen Vermessenheit. Ein solcher Hochmut muss sich auf die eine oder andere Weise manifestieren – es sei denn, der Betreffende versteckt ihn hinter einer Fassade äußerster Bescheidenheit.«
    Servaz blieb stehen und sah den Psychologen an.
    »Dieses Charakterbild trifft recht gut auf Hirtmann zu«, sagte er. »Mal abgesehen von der Bescheidenheit.«
    »Und auf eine Vielzahl anderer Personen«, korrigierte ihn Propp. »Hochmut ist keine Seltenheit, glauben Sie mir, Commandant.«
     
    Das Haus des Apothekers war das letzte in der Straße – eine Straße, die in Wirklichkeit kaum mehr als eine Schotterpiste war. Servaz musste gleich an ein Fleckchen in Schweden oder Finnland denken, an ein skandinavisches Haus: Das Dach war mit hellblauen

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