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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Schindeln gedeckt, und unter dem Dach nahm eine große Holzterrasse einen Teil des ersten Stocks ein. Ringsherum wuchsen Birken und Buchen.
    Servaz und Ziegler stiegen aus dem Wagen. Auf der anderen Seite des Weges bauten eingemummte Kinder einen Schneemann. Servaz schlug seinen Kragen hoch und sah, wie sie die Schneedecke, die auf dem Rasen lag, mit ihren Handschuhen abschabten. Sie hatten ihr Geschöpf mit einer Plastikpistole bewaffnet – man mochte darin ein Zeichen der Zeit sehen. Ungeachtet des kriegerischen Erscheinungsbilds freute sich Servaz einen Moment, dass Kinder noch an so schlichten Vergnügungen Spaß haben konnten, statt sich in ihren Zimmern an ihre Computer und Spielkonsolen zu fesseln.
    Dann gefror ihm das Blut in den Adern. Einer der Jungen war zu einer der großen Mülltonnen gegangen, die am Straßenrand standen. Servaz sah, wie er sich auf die Zehenspitzen stellte, um sie zu öffnen. Vor den Augen des verdutzten Polizisten griff er in die Tonne und zog eine tote Katze heraus. Der Junge packte den kleinen Kadaver am Hals, ging über den verschneiten Rasen und legte die Trophäe zwei Meter vor dem Schneemann auf den Boden.
    Es war unglaublich, wie lebensecht die Szene wirkte: Man hatte wirklich den Eindruck, dass der Schneemann die Katze mit der Pistole erschossen hatte!
    »Mein Gott!« Servaz war versteinert.
    »Laut Aussage der Kinderpsychiater«, sagte Irène Ziegler neben ihm, »ist das nicht auf den Einfluss des Fernsehens und der Medien zurückzuführen. Sie können das schon auseinanderhalten.«
    »Natürlich«, sagte Servaz, »ich habe als kleiner Junge Tarzan gespielt, aber ich habe keinen Moment geglaubt, dass ich mich wirklich von Liane zu Liane hangeln oder es mit Gorillas aufnehmen könnte.«
    »Und dabei werden sie schon in ganz jungen Jahren mit gewalttätigen Spielen, Bildern von Gewalttaten und Gewaltvorstellungen bombardiert.«
    »Da kann man nur hoffen, dass die Kinderpsychiater recht haben«, sagte er mit ironischem Unterton.
    »Wieso habe ich das Gefühl, sie irren sich?«
    »Weil Sie Polizist sind.«
    Eine Frau erwartete sie rauchend an der Haustür. Als sie näher kamen, behielt sie die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger und kniff hinter dem Rauchfähnchen die Augen zusammen. Obwohl die Gendarmerie sie vor drei Stunden vom Mord an ihrem Ehemann in Kenntnis gesetzt hatte, wirkte sie nicht besonders mitgenommen.
    »Guten Tag, Nadine«, sagte Chaperon, den Capitaine Ziegler gebeten hatte, sie zu begleiten, »ich möchte dir mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Du weißt, wie sehr ich Gilles mochte … Es ist furchtbar … was da passiert ist …«
    Der Bürgermeister stockte immer wieder, es fiel ihm noch schwer, zu sprechen. Die Frau küsste ihm widerstrebend die Wangen, doch als er sie in die Arme nehmen wollte, hielt sie ihn entschlossen auf Distanz, ehe sie ihre Aufmerksamkeit den anderen zuwandte. Sie war groß und hager, um die fünfzig, ein langes Pferdegesicht, graues Haar. Servaz sprach ihr seinerseits sein Beileid aus. Sie bedankte sich mit einem Händedruck, dessen Kraft ihn überraschte. Sofort spürte er die Feindseligkeit, die in der Luft lag. Was hatte Chaperon gesagt? Sie arbeite für eine Menschenrechtsorganisation.
    »Die Polizei würde dir gern ein paar Fragen stellen«, fuhr der Bürgermeister fort. »Sie haben mir versprochen, vorerst nur das Dringendste zu fragen und den Rest für später aufzuheben. Dürfen wir reinkommen?«
    Ohne ein Wort drehte sich die Frau um und ging vor ihnen her. Servaz stellte fest, dass das Haus tatsächlich ganz aus Holz gebaut war. Eine winzige Diele mit einer Theke, auf der eine Leuchte mit Lampenschirm stand, daneben ein ausgestopfter Fuchs mit einem Raben im Maul. Servaz dachte an einen Jagdgasthof. Es gab auch eine Garderobe, aber Nadine Grimm bot ihnen nicht an abzulegen. Schon verschwand sie auf der steilen Treppe, die sich direkt hinter der kleinen Theke nach oben wand und zur Terrasse im ersten Stock führte. Ohne den leisesten Ton von sich zu geben, deutete sie auf ein Rattansofa voller zerschlissener Kissen, von dem man auf die Felder und Wäldchen blickte. Sie selbst ließ sich auf einen Schaukelstuhl am Geländer fallen und zog sich eine Decke über die Knie.
    »Danke«, sagte Servaz. »Als Erstes würde ich gern wissen …« – er zögerte einen Moment –, »… ob Sie einen konkreten Verdacht gegen irgendjemanden haben?«
    Nadine Grimm stieß den Rauch ihrer Zigarette aus, während sie

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