Schwarzer Schwan
der Polizei. Sie haben bei einem Mordopfer Fotos gefunden, die von jemandem stammen müssen, der mich observiert hat oder es noch immer tut.«
»Bei einem Mordopfer? Das kann ich nicht glauben.«
»Ist aber so.«
»Und wie kommst du darauf, dass ausgerechnet die Bank dahintersteckt? Welchen Grund sollte es geben, dich beobachten zu lassen?«
»Keine Ahnung.«
»Wirklich nicht?«
Der Megakredit, Helios Investments und Dingendorff. Oder wurden alle Mitarbeiter, die an wichtigen Projekten saßen, routinemäßig überprüft?
»Nein«, beharrte Hanna. »Nicht den blassesten Schimmer.«
»Vielleicht hat dich ein heimlicher Verehrer fotografiert.« Helmut lachte. Im Hintergrund ein Hupen, ein Motor drehte hoch.
»Pass auf«, warnte Hanna. »Fahr vorsichtig.«
»Du kennt mich doch.«
»Eben.«
Ein weiteres, kurzes Auflachen. »Ich hoffe, ich schaffe es morgen. Lass uns zuvor noch einmal telefonieren.«
Hanna legte auf.
Sie hätte gern mehr Anteilnahme gespürt, Interesse an ihren Sorgen. Natürlich hatte ein Kommunikationschef der RheinBank viel im Kopf und wenig Zeit. Ihre gemeinsamen Stunden waren selten, dafür umso schöner.
Hanna fragte sich, wie es wäre, einen richtigen Partner zu haben. Jemanden, der nicht seine Frau belügen musste, wenn er sie traf. Der sich nicht anschließend »nach Hause« verdrückte. Mit dem sie auch einmal auf Urlaubsreise gehen konnte.
Eine Beziehung statt einer Affäre.
Die verdammten Observierungsfotos machten sie ganz verrückt.
32.
Es wurde eine Mammutsitzung. Sechs Stunden lang spielte Mierscheid den Stichwortgeber für den Zeugen des Tages. Am Ende war Lichtenberg der unbestrittene Held.
Mierscheid hatte sich erneut ans Drehbuch gehalten. Er fühlte sich unendlich müde.
Wie erwartet werteten die Beobachter diese Sitzung als Dreh- und Angelpunkt des Untersuchungsausschusses. Für morgen war zwar der ehemalige Minister geladen, doch von dessen Befragung erwartete niemand mehr neue Erkenntnisse. Die Vertreter der Grünen und der Linkspartei schäumten, denn sie hatten es wieder nicht geschafft, die Rettung der MHE-Bank als Verschwendung von Staatsvermögen zu entlarven.
Kameraleute und Mikrohalter drängten sich um den Obmann der größeren Regierungsfraktion. Mierscheid riss sich zusammen und lobte Malte wieder und wieder als Lichtgestalt, die es in zähen Verhandlungen geschafft habe, die privaten Geldinstitute bis zur Schmerzgrenze an der Rettung ihrer Branche zu beteiligen.
Die Reporter nickten stumm zu seinen Sätzen. Gaben sich kennerhaft oder hatten es eilig, in ihre Studios zurückzukehren. Nachfragen blieben aus.
Mach Malte fertig.
Sorry, Paula, aber ich schaffe das nicht.
Rasch ins Kasino, einen Happen essen. Volker Paschke gesellte sich zu ihm, der Kollege aus dem Ruhrgebiet mit den guten Kontakten zur Energiewirtschaft.
»Hab dich auf n-tv gesehen. Bist ein wenig blass, wenn ich ehrlich bin. Solltest mehr in die Sonne gehen. Kleiner Tipp unter Freunden.«
»Danke.«
»Aber du hast dich wacker geschlagen. Bist einer von den Guten, Lothar. Wir bräuchten mehr von deiner Sorte.«
Mierscheid zog ein welkes Salatblatt aus dem Sandwich. »Was machen deine Kraftwerke?«
Parteifreund Paschke kam sofort in Fahrt: »Manchmal glaub ich wirklich, ich bin in der falschen Partei! Da beschließt die Kanzlerin ein Moratorium, als hätten wir nicht die sicherste Technologie der Welt. Dann wird Neckarwestheim stillgelegt, weil die Laufzeit nach alter Rechtslage vorbei ist. Nur ein kleines Kraftwerk, okay, tut EnBW nicht besonders weh. Aber plötzlich sattelt Seehofer drauf, vereinbart mit e. on das Abschalten von Isar eins, nicht nur vorübergehend, sondern für immer, so ein Quatsch! Dann Brunsbüttel, okay, war ohnehin seit Jahren nicht mehr in Betrieb, und Biblis A. Damit sind auch Vattenfall und RWE betroffen. Das wäre ja gerade noch gegangen. Doch auf einmal kommt der Umweltminister daher, diese Pflaume, zieht den Strich beim Baujahr 1980, und aus vier werden erst sieben, dann acht. Und das Moratorium dauert und dauert. Immer mehr unserer eigenen Leute führen sich als Öko-Populisten auf. Deutschland wird technikfeindlich. Das ist nicht mehr meine CDU. Und alles nur wegen Japan!«
»Unsere Technik ist letztlich die gleiche wie in Fukushima.«
»Wechselst du jetzt auch zu denen über?«
»Wie wär’s mit einem Kompromiss?«
»Zwischen einschalten und ausschalten? So etwas wie ein bisschen schwanger? Mensch, Lothar!«
»Ich meine Folgendes: Die
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